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Expedition Ra - Mit dem Sonnenboot in die Vergangenheit

Titel: Expedition Ra - Mit dem Sonnenboot in die Vergangenheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thor Heyerdahl
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Nordafrika in ein Netz von Erkun-dungs- und Handelsrouten einbezogen, für das sich die wagemutigen Phönizier leidenschaftlich engagierten. Aber genau besehen, wer waren diese Phönizier, über die wir so wenig wissen? Von wem stammten sie ab und wem verdankten sie ihre nautischen Fähigkeiten? Über die Römer haben wir ganz einfach das Wort »Phönizier« übernommen wie eine bequeme Tasche, in die wir alles hineinstecken können, was mit vorrömischer Seefahrt, ausgehend vom östlichen Mittelmeer, zusammenhängt.
    Auf einer Anhöhe an der marokkanischen Nordwestküste, wo der breite Lucus-Fluß in den Atlantik mündet, liegen die gigantischen Ruinen einer der mächtigsten Städte des Altertums, deren Vergangenheit im Dunkel der Geschichte liegt. Gigantische, viele Tonnen schwere Megalithblöcke wurden auf die Anhöhe befördert und zu meterhohen Riesenmauern aufeinander gestapelt, die sogar vom Meer zu sehen sind. Die Blöcke sind mit genau derselben Technik, die für die Megalithmauern in Ägypten, auf Sardinien, in Mexiko und Peru - eben den Gebieten, in denen Schilfboote verwendet wurden - charakteristisch ist, geschnitten, poliert und millimetergenau zusammengefügt worden. Und auch gerade am Lucus-Fluß, der sich am Fuß dieser Ruine zum Meer schlängelt, und nur dort, haben die marokkanischen Schilfboote Madia bis in unsere Tage überlebt. Der älteste bekannte Name der Megalithstadt ist Maquom Semes , die »Sonnenstadt«. Als die Römer sie entdeckten, berichteten sie, daß sich phantastische Sagen an die älteste Geschichte der Stadt knüpften. Sie nannten die Stadt Lixus, die Ewige Stadt, und bauten ihre Tempel auf die alten Ruinen. Ihre Bauwerke und Säulenreihen wirken im Verhältnis zu den kolossalen Blöcken der Mauern, auf denen sie ruhen, geradezu erbärmlich klein. Die römischen Geschichtsschreiber verlegten das Grab des riesigen Herkules auf eine Insel im Fluß am Fuße dieser mächtigen Ruinen, und vor dem Hintergrund des offenen Atlantiks schufen römische Künstler ein riesiges Mosaik-Porträt Neptuns, dem aus Haaren und Bart Krabbenscheren ragen. Dann verschwanden die Römer. Und die Araber, die als letzte kamen und sich nun mit der ursprünglichen Bevölkerung der Ebene vermischt haben, nennen die Ruinenstadt Shimish , »Sonne«; sie berichten, die letzte Königin, die dort herrschte, habe Shimisa geheißen, »Kleine Sonne«.
    Die wenigen Archäologen, die jetzt kleine Erdproben entnehmen, haben festgestellt, daß die Phönizier die »Sonnenstadt« lange vor den Römern bewohnt haben. Aber wer hat sie gegründet? Vielleicht die Phönizier. Wenn es die Phönizier waren, dann stand die Steinmetzkunst der Phönizier auf gleicher Höhe wie die besten Werke beiderseits des Atlantiks. Dies war kein Mittelmeerhafen, sondern ein Atlantikhafen. Er war dort angelegt, wo die starke Strömung beginnt, die zwischen den Kanarischen Inseln nach Westen abbiegt und in Mexiko endet. Wie alt sind die Mauern? Niemand weiß es. Sie werden von einer fünf Meter hohen Abfallschicht bedeckt, die von den Phöniziern, Römern, Berbern und Arabern stammt. Die Römer glaubten an Herkules und Neptun, aber nicht an den Sonnengott, und die römischen Ruinen obenauf sind deswegen nicht nach der Sonne ausgerichtet. Aber Probegrabungen, die unlängst bis in die tiefsten Schichten vorgetrieben wurden, zeigen, daß die unteren Riesenblöcke - die schon vor den Römern mit Abfall bedeckt waren und aus diesem Grund von ihnen nicht umgestürzt oder zu Tempeln umgebaut werden konnten -die Grundmauern von gigantischen, sorgfältig nach der Sonne ausgerichteten Bauwerken bildeten. Die Phönizier beteten die Sonne an.
    Die Sonnenstadt, die Ewige Stadt, die letzte Ruhestätte des Herkules, ein megalithischer Atlantikhafen, den Römern nach älter als Karthago -warum lag sie vor Gibraltar? Die Gründer dieser Ewigen Stadt wohnten ebenso viele Seemeilen von den Phöniziern in Kleinasien entfernt wie von den Indianern in Amerika. Um den Kontakt mit Kleinasien aufrechterhalten zu können, mußten sie wahre Meister darin sein, an der gefährlichen Küste Nordafrikas entlangzusegeln, an der sie keine regelmäßige Strömung und kein Wind unterstützten. Um auf die andere Seite zu gelangen und den Indianern die phönizische Mauertechnik beizubringen, brauchten sie nur die Riemen einzuholen und sich wie wir treiben zu lassen. Hatten die Phönizier die Sonnenstadt angelegt, und wurden phönizische Seefahrer von Priestern, Architekten und

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