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Expedition Ra - Mit dem Sonnenboot in die Vergangenheit

Titel: Expedition Ra - Mit dem Sonnenboot in die Vergangenheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thor Heyerdahl
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unser Achterdeck spülte, fliegende Fische an Bord schickte und uns pausenlos vorwärtstrieb, forderte uns noch stärker heraus, als wir unsere Nase in gelehrte Werke steckten und uns wie antike Seefahrer fühlten, die über sich und ihre eigene Zeit lesen. Dort zapfte der Mexikaner Wasser aus einem Ziegenledersack in eine Amphora, dort balancierte der Ägypter mit einem Papyrus-Rettungsgürtel über der Schulter, dort steckte ein Affe seinen Kopf herein und stahl mein Nasometer, das ich zur Messung des Polarsterns brauchte.
    »Bärtige Männer treiben westwärts über den Atlantik«, schrieb ich in einer Meldung an den Chef des mexikanischen Archäologischen Instituts -eine scherzhafte Anspielung auf die bärtigen Olmeken, die Begründer der ältesten Kultur Mexikos. Nur wenn Norman unseren kleinen Funkkoffer aus der Kiste holte, auf der er lag, verschwand das Altertum wie ein Zauberspuk, und wir befanden uns einige Minuten lang in der modernen Welt. Dick Ehrhorn, ein Funkamateur in Florida, hatte das kleine Gerät gebaut, und kurz nachdem wir die Verbindung mit Marokko verloren hatten, hörten wir plötzlich eine Stimme im Mikrophon: »LI2B, LI2B, hier LA5KG Chris Bockelie aus Oslo.« Chris reiste seitdem in dem magischen Kasten mit uns über das ganze Meer, und wir hatten auch noch Platz für Just LA7RF aus Alesund, Frank IiKFB aus Genf, Herb WB2BEE aus New York, Alex UAiKBW aus Leningrad, für den Konstrukteur des Geräts, Dick W4ETO in Florida und viele andere Stimmen, die für Menschen des Altertums Geister aus Aladins Lampe gewesen wären, welche in der kleinen Kiste zwischen Ziegenledersäcken und Krügen unsichtbar über Land und Meer segelten. Auf diese Weise erfuhren Familie und Freunde, daß wir am Leben waren. Wie wir hatten sie Atlantikkarten an der Wand hängen, in die sie in Abständen unsere Position eintrugen. Als wir die Hälfte geschafft hatten, wechselten wir mit U Thant und den Staatsoberhäuptern unserer Länder Grüße. Die Präsidenten der beiden Supermächte in Ost und West schickten uns am selben Tag freundliche Botschaften. Wenn Norman seine »Büchse der Pandora« wieder zuklappte, kehrten wir ebenso schnell ins Altertum zurück, wie wir in die Gegenwart versetzt wurden, wenn er sie öffnete und die Hütte sich mit einem Chor wirrer Metallaute füllte - Funkamateure aller Herren Länder wollten uns unterstützen. Wenn sie verschwunden waren, blubberte und platschte das Wasser, und die Reeps ächzten einsam wie zuvor. In unserer Welt gab es nur Meer und fliegende Fische und ab und zu einen grünen Rücken, der in unendlicher Tiefe vorbeiglitt.
    Bärtige Männer. Das war eine unserer letzten heiteren Meldungen. Wir waren in der Hand des Schicksals. Der Steert hing unter Wasser und ließ die Wellen gegen die hintere Hüttenwand rollen, wie Brandung gegen einen Badestrand. Auf dem Achterdeck schwammen kleine Fische. Bliebe uns ein Unwetter erspart, würden wir auf diese Weise in ein paar Wochen an Land treiben, Hütte und Vorderdeck vollgepfropft mit Nahrung und anderer Ladung. Aber käme noch ein Sturm auf, würde die Ra ein Wrack sein. Seit wir Marokko verlassen hatten, war die Ra nur von der African Neptune mit vollen Segeln auf dem Meer verewigt worden. Um uns selbst auf Entfernung zu sehen, mußten wir mit einem Tau um den Leib hinausschwimmen. Für uns, die wir uns seit Wochen nur gegenseitig und das Fahrzeug nur immer ausschnittweise gesehen hatten, war es ein hinreißender Anblick, die Ra von weitem zu betrachten. Georges schwamm mit der Unterwasserkamera hinaus und knipste die Ra von einem Wellenkamm aus, wie sie sich vorwärtskämpfte.
    Am 7. Juli sah das Papyrusschiff noch prachtvoll aus, mit seinem hohen goldenen Bug und dem burgunderroten Segel, das straffer als je zuvor stand, weil wir den Ostwind jetzt direkt im Rücken hatten. Aber käme Sturm auf, würde die Ra niemals so ankommen, wie sie jetzt aussah, und im Expeditionsfilm würden Bilder von dem Papyrusschiff auf hoher See aus der Entfernung fehlen. Vielleicht würde auch alles, was Carlo schon gefilmt hatte, beschädigt werden. Bei der nächsten Funkverbindung mit Italien bat ich deswegen meine Frau Yvonne, einen Kameramann zu engagieren, der uns mit einem kleinen Fahrzeug auf dem Meer vor den Westindischen Inseln entgegenkommen sollte. Wenn ich es auch mit keinem einzigen Wort gegenüber meinen Freunden an Bord erwähnte, hatte ich im stillen doch das Gefühl, dies könne auch unserer Sicherheit dienen. Letzten Endes

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