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Expedition Ra - Mit dem Sonnenboot in die Vergangenheit

Titel: Expedition Ra - Mit dem Sonnenboot in die Vergangenheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thor Heyerdahl
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See werfen und mit Teller und Tasse in der Hand essen, aber da kam einstimmiger Protest von uns beiden, die wir die Mahlzeit als Höhepunkt des Tages betrachteten.
    »Außerdem verkommt die Moral an Bord, wenn wir wie die Schweine leben sollen«, kam es von Norman, dem erfahrenen Marineoffizier.
    Die Gemüter beruhigten sich. Die Luft war wie durch ein Gewitter gereinigt, und jetzt war endlich einmal richtig Platz, um sich an Bord zu bewegen, ohne klettern zu müssen. Aber der Wind war nicht zurückgekehrt.
    Am nächsten Tag war es genauso windstill und am nächsten auch. Und am übernächsten. Wir lagen nur da. Vorläufig schien das Boot nicht weiter zu sinken, aber wir kamen nicht von der Stelle.
    »Laut Statistik gibt es hier im Mai ein Prozent Windstille«, sagte Norman und zeigte mit dem Finger auf die Seekarte. Wir hatten in einer Woche 100 Prozent.
    Wir versuchten, mit den langen schweren Rudern zu wriggen. Es half nichts. Aber wir waren momentan außer Gefahr. Wir sprangen ins Meer und genossen das Leben. Über uns brannte die Sonne, und die Kanarischen Inseln und Afrika lagen zu beiden Seiten im Nebeldunst verborgen. Kaltes und frisches Wasser. Norman schwamm mit der Ente an der Leine, Safî hing an den Hinterbeinen und griff nach dem Wasser. Herrliches Wasser. Aber, zum Teufel, schwammen nicht hier und da über und unter dem Wasserspiegel kleine schwarze Ölklumpen? Madani hatte seit unserer Abreise tatsächlich jeden Tag Meerwasserproben entnommen. Diesmal wollten wir eine systematische Untersuchung durchführen, Tag für Tag. Voriges Mal hatten wir die Verschmutzung immer nur festgestellt, wenn das Wasser unübersehbar dreckig war. Aber der Bericht und die Proben, die wir der norwegischen UN-Delegation geschickt hatten, erregten derartige Aufmerksamkeit, daß es sichtlich einer gründlicheren Beobachtung bedurfte, jetzt, wo wir sowieso die Nase dicht über der Oberfläche hatten. Von früh bis spät benutzten wir das Meer als Zahnglas, Waschschüssel, Bidet und Badewanne. Glücklicherweise war zwischen den Klumpen ein so großer Abstand, daß wir nicht zu ihnen fahren mußten. Wir tauchten unter die Papyrusbündel. Kristallklar. Haufenweise Fische. Gestreifte Lotsenfische und gefleckte Pampano schwänzelten im Schatten der Ra umher oder standen unbeweglich dicht unter dem Papyrus. Der Papyrus war glatt, fest und stark. Noch schönere Walfischbauch-Form als die Ra I . Da, ein Riesenkerl von einem Garoupa, einen halben Meter lang, dick und fett und schwer. Wir konnten nicht weit von den Kanarischen Inseln sein, denn diese Fische schwimmen nicht weit aufs Meer. Der Kerl kam ganz nah und schnupperte an Georges' Tauchermaske. Ein zwanzig Zentimeter langer, zebragestreifter Lotsenfisch glitt wie ein kleiner Zeppelin auf meine Finger zu. Santiago hatte recht, die Fische schwammen nur, wenn sie an der Oberfläche waren. Unten in ihrem nassen Element fliegen sie frei wie die Vögel. Zwei merkwürdige Geschöpfe, die wie beinlose Strümpfe aussahen, und eine quallenähnliche Scheibe schlängelten sich an meiner Nase vorbei. Die portugiesischen Nesselquallen noch in frischer Erinnerung, hielten wir uns von derlei unbekannten Weichtieren fern.
    »Ein Hai, ein großer Hai!«
    Er war weit weg. Rücken- und Schwanzfinne durchschnitten in unheimlich großem Abstand die Wasserfläche, er mußte riesig sein, aber er beachtete die Ra nicht. Unbeirrt setzte er seinen Kurs fort.
    Nachdem wir gesehen hatten, wie vollkommen die Ra II unter Wasser aussah, waren alle bester Laune. Der Steert genauso kräftig. Keine Neigung nach Luv. Nicht ein Halm lose. Juri und Georges meinten sogar, vorn seien die Papyrusbündel wieder etwas aus dem Wasser gekommen, vielleicht ließ die Tropensonne die Feuchtigkeit von den Rollen am ersten Tag verdampfen. Am Tag zuvor hatten die anderen gemeint, es sollten sich nicht mehr als zwei bis drei Mann auf einmal vor dem Mast aufhalten, damit der Bug nicht unterging, nun waren sie damit einverstanden, daß wir aus dem wenigen übriggebliebenen Material Bänke zimmerten, um uns einen gemütlichen Eßplatz auf dem Vorderdeck einzurichten.
    So trieben wir eine Woche lang im Zickzack nach Südwesten. Schwache Windstöße aus Ost und West vermochten Rah und Segel nicht vom Schrägmast freizumachen. Unter uns das ganze Meer in langsamer Drift. Das Meer zog. Wir konnten es nur nicht sehen, denn Meer und Boot trieben mit derselben Geschwindigkeit. Dann begann uns der Wind zu folgen, erst langsam. Wir konnten

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