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Expedition Ra - Mit dem Sonnenboot in die Vergangenheit

Titel: Expedition Ra - Mit dem Sonnenboot in die Vergangenheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thor Heyerdahl
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jung noch besonders hübsch. Dazu glänzte auf der schwarzen Haut der Schweiß, er lief ihnen genau wie den Tänzern die Stirn hinunter. Wahrscheinlich waren es die Frauen, die mit irgend etwas im Wirrwarr innerhalb des Kreises aufgetreten waren. Nun wurden sie diskret neben mir aufgestellt, als wären sie eine Art Pokal. Hunderte von Araber- und Negerfratzen drängelten sich in dem milden Lampenschein um uns herum. Was nun? Wie sollte ich aus dieser immer verwickelterert Situation herauskommen, aus diesem Gewimmel in der Nacht dorthin verschwinden, wo ich herkam? Da fühlte ich, wie mir eine kräftige Hand auf die Schulter klopfte, Omar stand dort mit einem Gesicht, das wie eine Sonne im Lampenschein leuchtete.
    »Monsieur brave tamtam« , sagte er und entblößte zustimmend seine Zähne, damit war sein französischer Wortschatz erschöpft. Omar war die Rettung. Das einzig bekannte Gesicht. Dies war eindeutig ein Fest für die breiten Volksschichten, denn hier waren weder der Sultan noch der Scherif anwesend. Omar genoß Respekt, und als die Zuschauer sahen, daß ich mit dem Verwandten des Sultans befreundet war, öffneten sich die Reihen, und wir verschwanden zusammen durch das leere Dorf zur Musik der Zikaden.
    Am nächsten Tag war mein Ansehen in Bol gestiegen. Das Gerücht von meinen Fähigkeiten im Tamtam-Tanz und von der riesigen Summe, mit der ich die Musiker belohnt hatte, verbreitete sich in Windeseile. Der Scherif dagegen hatte neue Meldungen von arabischen Terroraktionen und Unruhen in der Wüste erhalten und wollte unbedingt, daß wir seine Gäste blieben, bis wir mit dem Flugzeug sicher herauskämen. Es war hoffnungslos, über Funk mit Fort-Lamy Verbindung aufzunehmen, aber es gelang dem Negertelegraphisten, ein Telegramm abzuschicken, daß wir ein Lufttaxi wollten.
    Wir hatten nun eine große Anzahl guter Freunde in Bol und genossen die Tage in dem Papyrusboot auf dem See. Eine Woche verging. Dann erscholl über den schwimmenden Inseln Motorlärm, und ein kleines Flugzeug überflog in geringer Höhe den Papyrus, drehte dicht über den Dächern der Hüttenstadt bei und landete auf dem planierten Sandstreifen, wo wir kurz darauf dem französischen Piloten begegneten. Er erklärte sich bereit, mit uns dreien auf einmal zu starten, aber das kleine Flugzeug konnte die schwere Filmausrüstung nicht tragen, nur unsere allernotwen-digsten Kleidungsstücke. Das neue Papyrusboot wurde kieloben auf das Dach eines Jeeps gelegt und die ganze Ausrüstung bei Baba verstaut, denn sowohl der Scherif als auch der Sultan beteuerten, daß niemand die beiden Negerfahrer angreifen würde, wenn sie allein und ohne fremde Bleichgesichter an Bord die Wüste durchquerten.
    Die letzten, von denen wir uns verabschiedeten, waren die beiden Bootsbauer Omar und Mussa und der Dolmetscher Abdullah. Der Scherif und der Sultan willigten mit sichtlicher Freude ein, als ich fragte, ob die beiden Buduma-Brüder mich später in Ägypten besuchen dürften, wenn ich Experten für den Bau eines Papyrusboots brauchte. Als Abdullah meine Frage für Omar aus dem Französischen ins Arabische übersetzte, und Omar weiter für Mussa aus dem Arabischen ins Buduma, waren die beiden Brüder so entzückt, daß sie vor Lachen bebten und immer wieder nickten und mit beiden Händen meine Faust ergriffen, um ihre Zustimmung zu bekräftigen.
    »Sie sagen ja«, erklärte Abdullah feierlich, »und ich komme als Dolmetscher mit!«
    Wir saßen schon im Flugzeug, das nicht anspringen wollte, deshalb merkte ich mir meine Antwort nicht richtig. Abdullah aber tat es.
    Einige Kabel wurden von Babas Jeeps an das Flugzeug gehängt, und dann rollten wir los, schwangen uns in die Luft, über Buduma-Hütten, Kaday und Papyrusschilf. Wir sahen unendliche, gelbe Sandebenen hinter uns, durch die wir auf dem Weg nach Bol geholpert waren. Unter uns lag das merkwürdigste Inselreich der Welt, der Tschadsee. Außerhalb von Bol sah er wie ein grüngeflecktes Puzzlespiel auf blauem Grund aus, das gerade jemand durcheinander geschoben hat. Die schwimmenden Inseln waren mit ihrer unendlichen Variation von gekrümmten Konturen die grünen Steinchen, und zwischen ihnen schlängelte sich ein endloses Chaos enger, blauer Kanäle hindurch, wie Risse in dem zerstörten Landschaftsbild. Auf einzelnen Steinchen waren winzige runde Negerhütten und Herden aus Spielzeugvieh, das sich bewegte und weidete, und hie und da leuchtete in den blauen Rissen ein kleiner gelber Kaday wie ein Senfkorn.

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