Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Expedition Ra - Mit dem Sonnenboot in die Vergangenheit

Titel: Expedition Ra - Mit dem Sonnenboot in die Vergangenheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thor Heyerdahl
Vom Netzwerk:
noch, als ich mich vorsichtig an Bord wagte. Wie alt mochte es sein? Ein Jahr, schlug Omar vor, aber das war nur eine Vermutung. Ein Neubau war das Boot jedenfalls nicht. Und es schwamm immer noch auf dem See.
    Wir paddelten den ganzen Tag zwischen den herrlichen Papyrusinseln umher. Die anderen Männer folgten uns in einem der größeren Kaday , die jenseits der Holzkanus vertäut lagen. Und bald waren es vier Papyrusboote, die Netze auslegten, während im Wasser um uns herum große Capitaine-Fische planschten. Dann wurde es Abend. Unser erster Tag auf einem Papyrusfahrzeug war zu Ende.
    Wir drei Europäer standen vor der Gästehütte und betrachteten den funkelnden Sternenhimmel. Die einheimischen Reisenden lagen bereits auf dem Boden und schliefen. Wir waren gerade von einer kleinen Hütte nach Hause gekommen, wo uns ein einzelner junger Mann, Bill Hallisey vom amerikanischen Friedenskorps, mit einer Dusche aus seiner selbstgemachten Brause an einem aufgehängten Benzinfaß bewirtet hatte. Bill war einer der ungeheuer wenigen, die allein in der Wüste umherzogen und mit sichtbarem Erfolg in den Religionskrieg eingriffen. Er bohrte Brunnen und versorgte die Orte mit Wasser, wo die Verhältnisse am kümmerlichsten waren. In Dörfern, in denen erst einmal Wasser rieselte, drängte es keinen Mohammedaner mehr, Christen zu erschlagen. Jetzt bohrte er hier in den Neger- und Arabervierteln.
    Nach der Waschzeremonie fühlten wir uns wie neugeboren und genossen noch eine Weile mit tiefen Zügen die reine Luft, ehe wir in die schwüle Gemeinschaftshütte krochen. Am liebsten hätten wir im Freien im Sand geschlafen, aber wegen der Giftschlangen, die nachts dort auf Raubzug ausgingen, war das nicht ratsam.
    Es war eine heiße, dunkle, mondlose Tropennacht, in der die Sterne voller Abenteuer und Romantik blinkten. Nur die Zikaden und unendlich viel Frösche zirpten, summten und quakten von fern und nah im Papyrusschilf. Die Wüste war tot, See und Dorf waren dunkel, lautlos, in der Nacht versunken. Wir warfen einen letzten Blick auf die Sterne und wollten uns gerade durch die Tür der Gästehütte zwängen, um uns hinzulegen, als ich etwas hörte und die anderen am Arm zurückhielt. Alle lauschten. Aus der Wüste kamen plötzlich ferne, fast unhörbare Trommelwirbel und der Schall eines pfeifenden, zitternden Blasinstruments. Der ganze Orient lag in diesen Tönen, als hätte der Wüstensand sie komponiert und als würden sie von der milden Nachtluft, die sie mit sich durch die Dunkelheit trug, gespielt. Kein Lichtschein war zu sehen. Ich konnte mich nicht hinlegen, ohne die fremdartige Erscheinung gesehen zu haben, die mit dem geheimnisvollen Nachtkonzert verbunden sein mußte. Aber die anderen verlockte es nicht. Sie wollten schlafen. Ich steckte die kleinste Taschenlampe zu mir. Hier war eine große Batterielampe fehl am Platz. Hier kam es darauf an, sich unauffällig zu verhalten, wenn man ungestört beobachten und selbst ungestört bleiben wollte. So ganz sicher fühlte ich mich nicht, nach allem, was ich gehört hatte. Die Lampe konnte einen leicht in die Klemme bringen.
    Es war verdammt dunkel. Ich orientierte mich nach den Sternen, um den Weg über die Ebene zum Gästeschuppen zurückzufinden, der nach den ersten tastenden Schritten völlig in der schwarzen Nacht verschwunden war. Man mußte die Beine vorsichtig hochheben, um nicht zu stolpern, dann konnte man fast lautlos in dem Pulversand gehen. Ich war bereits einige Minuten gegangen - die Trommeln schienen noch genauso fern zu erklingen -, als ich auf eine Adobemauer stieß. Das Dorf. Ein arabisches Haus. Ich tastete mich ohne Schwierigkeiten an der Seite entlang, bog um die Ecke und bewegte mich den Lauten nach vorwärts. Es ging ohne Schwierigkeiten, bis meine tastenden Finger auf einen Schilfzaun stießen. Keine einzige Hütte warf auch nur einen Lichtschimmer. Hier führte eine breite Sandstraße zwischen zwei Schilfzäunen direkt auf die Musik zu. Jetzt wurde sie deutlicher. Ich konnte die Konturen konischer Dächer gegen die Sterne ahnen, aber darunter herrschte totale Finsternis. Ich versuchte, schneller zu gehen. Da stolperte ich über etwas Großes, Zottiges und Bewegliches, das einen durchdringenden, heiseren, kehligen Schrei ausstieß und mich über den Haufen und in den Sand warf. Ich hatte ein liegendes Kamel aufgescheucht. Es knackte in seinen trockenen Gelenken, als es unsichtbar davonwanderte. Ich stand still. Kein einziges Licht. Kein Laut aus den

Weitere Kostenlose Bücher