Expedition Ra - Mit dem Sonnenboot in die Vergangenheit
Dann sahen wir bis zur Mündung des Chari-Flusses nur blau in blau. Wir flogen auf der geraden Luftlinie über den See nur eine Stunde bis Fort-Lamy. Und dort blieben wir und warteten auf die Jeeps. Einen Tag. Zwei Tage. Drei Tage. Die Funkverbindung mit Bol funktionierte, und der Scherif bestätigte, daß die Jeeps schon längst abgefahren waren.
Zusammen mit dem Autoverleiher schickten wir einen Jeep hinaus, der den halben Weg bis nach Bol fuhr und zurückkehrte, ohne anderes gefunden zu haben als unsere Radspuren von der Hinfahrt. So schickten wir das kleine Flugzeug aus, um einen besseren Überblick zu bekommen. Es kreuzte drei Stunden lang über der Route, fand aber keinen Jeep, der im Sand festsaß. Die Wissenschaftler, die ein Boot auf dem See hatten, schickten je einen Jeep nach beiden Richtungen zwischen Fort-Lamy und Bol. Als er zurückkam, hatte der Fahrer nichts zu berichten.
Wir zeigten es den Behörden an. Sie konnten nichts ausrichten. Der Polizeichef erklärte, dies sei kein Diebstahl, sondern Bürgerkrieg. Wir verpaßten unser Linienflugzeug, das Fort-Lamy nur einmal in der Woche anfliegt. Den beiden Kameramännern entging ein anderer Auftrag in Äthiopien; ohne ihre kostbare technische Ausrüstung konnten sie nicht fahren.
Da hatten wir eine Idee. Mit Michel als Wortführer gingen wir zum Hauptquartier der französischen Schutztruppen. Tschad war zwar eine selbständige Republik geworden, die Franzosen hatten sich diskret aus den Regierungsbüros zurückgezogen, und es gab jetzt kein weißes Gesicht mehr dort, aber sie waren leicht zu finden, wenn man sie brauchte. Wegen des Aufstandes unter den Araberstämmen im Norden und Osten hatten die Franzosen an strategischen Punkten in der Wüste Militärpatrouillen stationiert. Sie besaßen bewegliche Funkstationen und konnten französische Fallschirmtruppen herbeirufen, falls die Terroraktionen sich zu organisiertem Aufruhr ausweiten sollten. Dies geschah einige Wochen später. Daher dauerte es nur wenige Stunden, bis der Militärchef melden konnte, daß unsere gestohlenen Jeeps in einem entlegenen Wüstendorf im Schatten eines großen Baumes versteckt waren. Unsere beiden Fahrer hatten sich höchstpersönlich mit ihrem wertvollen Fang aus dem Staube gemacht und hatten versucht, ihre Beute an die Araber zu verkaufen. Das neue Papyrusboot, so wichtig es für uns war, bedeutete ihnen nichts, und so hatten sie es einfach in der Wüste weggeworfen. Zu ihrer Enttäuschung wollte niemand in der Einöde die Filmausrüstung kaufen, so konnten sie nur das Benzin loswerden, das sie aus beiden Tanks abgezapft hatten. Die Patrouille, die die beiden Fliehenden ergriffen hatte, meldete über den Äther, daß wir einen Jeep mit Benzin herausschicken sollten, wenn wir die Wagen nach Fort-Lamy haben wollten.
Was mit dem falschen Baba und seinem Mitverschworenen geschah, haben wir nie erfahren. Jedenfalls saßen sie nicht in dem Jeep, der vor die Gangway steuerte und die gestohlene Ausrüstung ablieferte, während das große Linienflugzeug schon startbereit stand. Hingegen wurde unser treuer Dolmetscher Abdullah kurze Zeit danach von den örtlichen Behörden verhaftet und unter dem Verdacht ins Gefängnis gesteckt, mich beim versuchten Sklavenhandel nach Ägypten unterstützt zu haben! Aber das wußte noch keiner. Langsam glitt der faszinierende Schmelztiegel Zentralafrikas unter unseren Tragflächen hinweg, Urwald und Wüste, Neger und Araber. Und in der blendenden Sonne warf unser riesiges Flugzeug den Schatten des 20. Jahrhunderts mit großer Geschwindigkeit über die Unendlichkeit der Sahara, ohne auch nur eine Spur im Sand zu hinterlassen.
Auf Wiedersehen, Afrika.
5
Unter schwarzen Mönchen
an der Quelle des Nils.
Auf Papyrussuche in Äthiopien
W ENN MAN EIN S CHILFBOOT BAUEN WILL, BRAUCHT MAN S CHILF . I CH brauchte Papyrusschilf. Wo findet man Schilf? In dem Wüstensee Tschad. Aber vom Herzen Afrikas führen keine Arterien in die Umwelt, weder Flüsse, Straßen noch Eisenbahnen. Die Bootsbauer könnte man leicht herausfliegen, aber nicht genügend Papyrus, um ein Schiff zu bauen. Es war sinnlos, an einen Transport von den Schilfsümpfen bei Bol zum Flugplatz vor der Hauptstadt auch nur zu denken.
In Ägypten? Gewiß. Der Pharao liegt in seiner Grabkammer, an deren Steinwände Schilfboote gemalt sind. Stein und Schilf. Stein in der Wüste und Schilf an den Nilufern. Stein und Papyrusschilf waren das Geschenk der Natur an das älteste Nilvolk. Und Schlamm, der
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