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Expedition Ra - Mit dem Sonnenboot in die Vergangenheit

Titel: Expedition Ra - Mit dem Sonnenboot in die Vergangenheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thor Heyerdahl
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unsichtbaren Pfad zwischen Riesensteinen und Mauerterrassen hinunter. Wir sprachen nicht, denn wir hatten keine gemeinsame Sprache. Nachdem der Dolmetscher über die See-Enge zurückgekehrt war, konnte ich mit keinem Menschen auf der ganzen Insel ein Wort wechseln. Der Häuptling kannte jeden einzelnen Absatz und paßte wie ein Luchs auf, daß ich mit heiler Haut hinunterkam. Es wurde deutlich, daß ich als hochgeehrter Gast behandelt werden sollte, wenn ich nun schon einmal beim Laki-Volk geblieben war.
    Wir gingen an den ersten Hütten vorbei und einige Terrassen weiter zu einer Versammlungshütte, die größer als alle anderen war. Ein Lichtschein fiel aus der niedrigen Türöffnung, und von dort kam der eigentümliche Gesang. Bru zog mich zu den Stammesältesten hinein, die dicht an der Tür auf niedrigen Schemeln und Baumstümpfen saßen. In einer Schale brannte ein Öldocht und warf flatternde Riesenschatten von vielen Männern an die runden lehmbedeckten Wände, und ganz hinten stand eine Reihe junger Frauen in weißen Gewändern und verbeugte sich und klatschte den Takt mit den Händen, während eine Frau jodelte und die anderen monoton und ohne Instrument sangen. Im Halbdunkel erkannte ich hinter den weißgekleideten Nymphen einige kolossale runde Krüge, so groß, daß jeder mühelos mehrere ausgewachsene Männer fassen konnte. Es glomm in einem Lehmofen, aber kein Rauch war unter dem hohen Dach zu sehen, das ein Pfosten mit schirmrippenartigen Verzweigungen stützte, Bru und ich mußten zusammen mit dem Allerältesten, einer wahren Mosesgestalt mit langem weißem Bart, auf eleganten geschnitzten Schemeln im Halbkreis der Männer Platz nehmen. Dann wurde uns nach altem äthiopischem Brauch ein kleiner Tisch vorgesetzt, auf dem ein Korbdeckel lag. Unter dem Deckel befand sich ein riesiges Wai-Fladenbrot, so dick wie doppelt gelegter Schaumgummi. Über das ganze Brot waren kleine Fischhappen verteilt, und in der Mitte lag ein großer Haufen kakaofarbenes Pulver, gegen das Pfeffer wie Zuckerwerk geschmeckt hätte. In das Pulver sollte man die Bissen tauchen, die man sich abbrach. Alle bekamen Gelegenheit, sich die Hände zu waschen, ehe wir uns mit den Fingern an das gemeinsame Mahl machten, und Bru brach fortwährend die besten Stücke ab und legte sie seinem unbekannten Gast vor. Auf einen Wink hatte der Wirt einen stummen blinden Passagier zum Ehrengast gemacht. Während der Frauenchor sich ununterbrochen wiegte und uns mit seinem merkwürdigen Psalmengesang unterhielt, ging ein Mundschenk umher und füllte allen die Krüge mit süßem Maisbier und schließlich mit dem stärksten Zucketbranntwein. Den meisten löste sich die Zunge, und einer nach dem anderen hielten sie ernste Ansprachen auf Laki, Ich selbst saß stumm dazwischen, als mir mein Tonbandgerät einfiel, das ich über der Schulter trug. Anfangs entstand große Verwirrung, weil der Frauenchor auf einmal im Räume zu jodeln begann, während die Frauen doch schwiegen und eine Pause machten, und die Männer verschluckten sich, weil sie sich reden hörten, während sie in Wirklichkeit doch tranken. Der Abend war gerettet, das Tonbandgerät war mein Bauchredner, der mit allen Laki schwatzte und in die Lachsalven einstimmte, als ob er alle Witze und alles, was in der Versammlungshütte gesungen und gesagt wurde, verstünde.
    Zum Schluß erhob sich der Älteste, als er es an der Zeit fand, aufzubrechen. Erst marschierten die Frauen in einer Reihe hinaus und jodeten, als sie uns verließen, im Chor mit trillernden Tönen wie die Nachteulen, und dann erklangen draußen die Eulenrufe der einzelnen, bis alle in ihren Hütten verschwunden waren. Der Häuptling faßte mich unter den Arm und führte mich zu seinem eigenen Haus, das genau der Versammlungshütte glich, aber kleiner war. Im schwachen Licht des Öldochts erkannte ich Gestalten, die Kleiderbündel zusammenpackten und hinaustrugen, damit ich über das einzige Bett der Hütte verfügen konnte. Es half nichts, sich zu weigern, Bru setzte seinen Gast auf das Ben, das mit einem Netzwerk von schmalen Lederstreifen als Boden den altägyptischen Pharaonenbetten im Kairoer Museum ähnelte. Bru und die Frauen trugen ihre eigenen Decken und Nackenschemel hinaus, um sich in einer anderen Hütte auf den Boden schlafen zu legen, während sie über ihr eigenes Bett saubere Feile und eine selbstgewebte Decke breiteten und mir bedeuteten, ich solle mich hineinlegen. Ich schnürte meine Langschäfter auf und

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