Expedition Ra - Mit dem Sonnenboot in die Vergangenheit
begeben haben, weil der Papyrus sich im Meerwasser auflöst und in den Wellen bricht.«
»Gerade das möchten wir in der Praxis nachprüfen«, erklärte ich.
Einen besseren Grund wußte ich angesichts einer so außergewöhnlichen Runde nicht anzugeben. Auf eine Bitte der norwegischen Botschaft waren der Kultusminister und der Minister für Tourismus aufs Ganze gegangen. Sie hatten die führenden Autoritäten als Berater eingeladen, und nun setzten wir uns mit Museumsdirektoren, Archäologen, Historikern und Papyrusexperten um einen großen Konferenztisch zusammen. Der Präsident des Papyrus-Instituts hatte sein Urteil im voraus abgegeben. Er wiederholte es. Aber er räumte lächelnd ein: Da ich als einziger der Anwesenden ein Papyrusboot in Wirklichkeit gesehen hätte, wollte er die Idee gern unterstützen wenn ich fest entschlossen wäre, ein Experiment zu unternehmen.
Der Direktor des Kairoer Museums meinte, es sei absurd, sich ein Papyrusboot auf dem Meer vorzustellen. Im Altertum hätte Ägypten Papyrus für die Buchproduktion nach Byblos exportiert, aber selbst verständlich hätten die Phönizier ihn geholt, denn nur Holzboote konnten das östliche Mittelmeer überqueren. Ein Papyrusboot auf dem Atlantik wäre damals wie heute undenkbar. In einer langen technischen Diskussion kamen wir auf Papyrus, Pyramiden und Hieroglyphen beiderseits des Atlantiks zu sprechen. Sie endete damit, daß Dr. Gamal Mehrez, dem Generaldirektor der archäologischen Sammlungen Ägyptens, das letzte Wort erteilt wurde. Wenn jemand ein Papyrusboot nach den Wandmalereien in den alten Grabkammern Ägyptens rekonstruieren und in der Praxis ausprobieren wolle, dann sei das ein wertvolles Experiment, stellte er fest. Und dabei blieb es.
Der Kultusminister erteilte dem Direktor der Gizehpyramide die Vollmacht, uns die erforderliche Fläche für ein Zeltlager und einen Bauplatz mit Tauen absperren zu lassen. Dafür mußten wir garantieren, nicht im Sand zu graben } weil wir uns hier mitten im Gräberfeld des alten Pharaonengeschlechts befanden.
Unten im Treppenhaus hatte man, wie überall in Kairo, eine Barrikade aus Ziegelsteinen errichtet und vor allen Fensterscheiben Sandsäcke aufgestapelt. Hier verabschiedeten wir uns von dem stellvertretenden Minister für Tourismus, Adel Taher, der mir mit breitem Lächeln die Hand schüttelte, ehe er wieder über die Treppe verschwand.
»Sie müssen das Boot bauen«, sagte er, »Sie werden von uns jede mögliche Unterstützung erhalten. Es ist sehr nützlich, die Welt daran zu erinnern, daß Ägypten nicht nur Krieg führt.«
Ich blieb mit dem lächelnden Botschafter zurück und dankte ihm aufrichtig für seine unschätzbare Hilfe. Peter Anker war mir von der ersten Begegnung an ein guter Freund geworden. Langjähriger Dienst als UN-Delegierter und norwegischer Gesandter im Mittleren Osten, und Altertumsgeschichte als persönliches Hobby, hatten aus ihm ein wandelndes Lexikon für alle Fragen gemacht, die Handelsverbindungen und Kulturkontakte zu den frühesten Zeiten in diesen Breiten betrafen.
»Das hat geklappt«, stellte er fest. »Du hast deine Baustelle bekommen, aber keiner teilt deinen Glauben an das Papyrusboot!«
»Wenn sich alle einig gewesen wären, gäbe es keinen Grund, das Boot auszuprobieren«, bemerkte ich.
Im Hotelzimmer setzte ich mich unschlüssig auf den Bettrand. Gewiß, den Bauplatz hatte ich bekommen. Aber noch hatte ich nicht alle Räder in Bewegung gesetzt. Noch war Zeit, sich zurückzuziehen. Jetzt mußte ich den Schritt wagen, mich voll einsetzen oder den Plan hier und jetzt fallenlassen. Eine ganz andere Sache war es, daß alle meine Mittel bei weitem nicht ausreichten. Aber die Verlage würden sicher auf den Bericht über das endgültige Resultat setzen. Wenn es nun gar kein Resultat gäbe? Ich spielte mit einem kleinen Stück Papier zwischen den Fingern. Die Mönche, das Laki-Volk, die Wissenschaftler und der Papyrusexperte - sie alle gaben dem Papyrusboot höchstens vierzehn Tage im ruhigen Süßwasser und noch weniger im aufgewühlten Meerwasser. Ich hatte jeweils nur einige Stunden auf einem Kaday, Tanqua oder Shafat zugebracht, und das Gefühl, auf einem Papyrusboot zu sitzen, wenn das Schilfbündel sich auflöst, hatte ich schon erlebt. Ich wußte, daß das amerikanische Torora-Schilf weite Seereisen überstehen würde und daß seine äußere Faserhaut und die schwammähnlichen inneren Zellenkanäle in jeder Hinsicht an Papyrus erinnerten, aber vielleicht
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