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Expedition Ra - Mit dem Sonnenboot in die Vergangenheit

Titel: Expedition Ra - Mit dem Sonnenboot in die Vergangenheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thor Heyerdahl
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einem besonders großen Obolu geholt worden. So nennt das Laki-Volk ein Papyrusboot, das extra breit ist, weil auf jeder Seite pflugförmig ein kürzeres Schilfbündel festgezurrt ist. Bisher hatten wir nur gewöhnliche Fahrzeuge gesehen, die so schmal sind, daß sie bei dem kleinsten Fehlgriff kentern. In der Laki-Sprache heißen sie Shafat , während das Galla-Volk sie Yevella nennt.
    Wir dankten für die Auskunft und fuhren auf steilen Windungen zur Küste hinunter. Dort hupten wir so lange, bis ein neugieriger Laki in seinem kleinen Shafat über die See-Enge paddelte. Von der Landspitze bis zur Insel waren es nur zwei Kilometer. Wir schickten den Mann mit dem Bescheid zurück, Bischof Lukas habe uns eingeladen, und wir brauchten ein Obolu . Kurz darauf saßen der Kameramann und der schwarze Dolmetscher mit einem Laki-Paddler im breiten Papyrusboot des Bischofs, und ich befand mich in einem gewöhnlichen Shafat , Rücken an Rücken mit einem Laki-Mann, der das Schilfboot mit dem Paddel balancierte und mir erklärte, ich solle die Knie strecken und den Rücken gegen den seinen drücken, wenn wir nicht kentern wollten. Die Filmausrüstung wurde von einem dritten Laki-Mann auf einem extra Shafat befördert.
    Der Papyrus unseres Shafat war nachlässig mit Rindenstreifen zusammengebunden, die halb verfault waren, wie sich später zeigte. Als ich versuchte, mich mit der Handfläche auf dem Papyrus zu stützen, um den Hintern'etwas anzuheben, der nach meinem Gefühl unangenehm tief in das bilharziaverseuchte Wasser eingesunken war, rissen zwei der Rindenzurrungen, und damit war der ganze Shafat in Auflösung begriffen. Die Paddler auf allen drei Booten zeigten sich ernsthaft bestürzt, sie brüllten sich und uns unverständliche Befehle auf Laki zu und hielten dicht zusammen, für den Fall, daß sich unser Boot ganz auflösen sollte. Dann konnten wir uns leicht ausrechnen, daß es vergeblich wäre, sich auf die anderen Boote retten zu wollen, sie würden beim ersten Versuch kentern.
    Die Insel war so nahe und schien plötzlich doch unendlich weit entfernt zu sein; ich saß stocksteif da und hielt mich an jeder Seite des Papyrusbündels fest, um zu verhindern, daß noch mehr Rindenstreifen platzten. Ich fühlte den Hintern immer tiefer in die lauen kleinen Wellen sinken, das Paradies der mikroskopischen Seewürmer. Vielleicht waren sie schon auf dem Weg durch die dünne Khakihose. Selten sind zwanzig Minuten so lang gewesen.
    Die Tage unseres Shafat waren gezählt, als wir das aufgelöste Papyruswrack am anderen Ufer ins Gras zogen, aber wir waren jetzt auf Devra Zion, und das war wohl die Mühen wert. Vom Schilfgürtel erstreckten sich bis zu den Berggipfeln offene Grasflächen, wie eine Parklandschaft mit uralten Riesenbäumen. Im Innern erhoben sich verwitterte Felsen wie abgeschliffene Säulen und Terrassen einer eingestürzten Schloßruine, überwachsen von blühendem Immergrün, Schlingpflanzen, Kakteen und fremdartigen Bäumen. Wir machten kleine Sprünge und liefen im Eiltempo über einen beinahe unsichtbaren Felspfad, wo das einzige Lebenszeichen Affen und bunte Vögel waren. Wir hatten einen großen Teil der Insel umrundet, ohne Äcker, Hütten oder Menschen zu sehen, als wir endlich auf dem Rand eines Felsens standen und in ein tiefes hufeisenförmiges Tal hinunterschauten. Der ganze Grund war eine grasgrüne, von Papyrus und anderem Schilf bewachsene Sumpfebene, und es wimmelte von großen Sumpfvögeln und langschwänzigen Affen.
    Auf einer trockenen Sandbank am See fanden wir Bischof Lukas, er leitete etwa zwanzig Laki-Männer beim Bau eines merkwürdigen Hauses an. Es war zweistöckig und glich einem großen Vogelkäfig aus frisch abgeschnittenen Ästen, aber der Bischof, der uns in einer Mischung aus Herzlichkeit und Erstaunen empfing, erklärte, daß man die Äste mit Lehm bedecken wollte und daß in diesem Haus das Laki-Volk in Zukunft seinen Besuch vom Festland empfangen würde. Wir sahen uns auf der Sumpfebene um. Es war ein unbewohntes und ödes Tal. Es dampfte von einer warmen Quelle, die gleich nebenan in den See floß.
    Der Bischof hatte es sichtlich eilig, sein eigenes Proviantpäckchen zu öffnen. Zu unserer Verzweiflung verlangte er, wir allein sollten uns das beste von den Keksen und Früchten einverleiben, die für ihn bestimmt waren. Gleichzeitig machte er uns mit kaum verhohlener Unruhe klar, wir müßten uns sofort nach dem Essen auf den Rückweg begeben, denn in der Nacht seien die

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