Expedition Ra - Mit dem Sonnenboot in die Vergangenheit
streifte sie ab, während sich der Häuptling an den Bettrand setzte und seinem Sohn auftrug, eine Schüssel zu holen und meine Füße zu waschen. Sie wurden sehr gründlich gewaschen und abgetrocknet; worauf sich der Junge tief verbeugte und meine Zehen küßte, ehe er und die anderen Bescheid erhielten, die Hütte zu verlassen. Hier auf Devra Zion lebte die biblische Tradition wirklich fort.
Angezogen, aber mit nackten sauberen Beinen, wälzte ich mich auf das Bett, wo ich darüber nachgrübelte, warum Bru und die Frau an einer Seite des Fußendes stehenblieben und miteinander flüsterten. Sie beratschlagten zögernd mit gedämpften Stimmen und schauten ständig zu dem Gast im Bett herüber; sie schienen nicht genau zu wissen, ob ich mich wohl fühlte, oder ob noch mehr geregelt werden mußte. Da sah ich, daß sie gar nicht allein waren. Auf der anderen Seite des Fußendes stand im Dunkeln eine undeutliche Gestalt." Der Öldocht hinter dem Dachpfosten brannte so niedrig, daß gerade die Konturen zu erkennen waren. Es war eine junge Frau. Sie drehte sich fast unmerklich, und es fiel ein schwacher Lichtschein hinter ihr Profil, sie war schön. Sie mußte eine von Brus Töchtern sein. Lange standen die drei zusammen, dann verbeugten sich die Eltern und verschwanden zur Türöffnung hinaus. Die Lampe gab kaum noch Licht, und ich war eine Weile unsicher, ob die Gestalt auf der anderen Seite des Fußendes immer noch dort stand. Aber dann sah ich die Konturen wieder, sie stand dort fast unbeweglich. Was nun? Hier lag ich im Bett des Häuptlings, sein Sohn hatte meine Füße gewaschen, und seine Tochter stand nun wie ein schützender Engel am Bettrand. In diesem Augenblick hörte ich die Stimme des Kameramannes weit entfernt in der stillen Nacht. Er rief meinen Namen. Ich antwortete nicht, um nicht den Zauber zu brechen. Aber der Kameramann gab nicht auf, und seine Rufe kamen immer näher, bald stand er mit Bru und der Frau in der Tür. Er hatte sich meinetwegen Sorgen gemacht, erzählte er, und er und der Dolmetscher waren mit dem Obolu des Bischofs allein auf die Insel zurückgekehrt. Für die Neuankömmlinge wurden Maisbier und Fischfladenbrot aufgetischt und ein Felllager auf dem Boden bereitet.
Am nächsten Tag waren wir weiterhin die Gäste des Häuptlings, und mit Hilfe des Dolmetschers erfuhren wir alles, weswegen wir gekommen waren. Der Papyrus am Swaisee wuchs an einer so unwegsamen Küste, daß es zwecklos war, ihn in großen Mengen vom See zu holen. Unsere einzige Rettung waren die Sümpfe am Tanasee. Aber wir lernten etwas anderes vom Laki-Volk. Ihre Shafat und Obolu erinnern mehr an die Schilfboote im Tschad, in Mexiko und Peru als an die Tanqua vom Tanasee, die von ihren äthiopischen Verwandten gebaut werden. Sie bauen nicht Schilfboote, weil es ihnen am See an Bauholz fehlt. Im Gegenteil, sie bauen Schilfboote, obwohl ihnen Holzmaterial viel leichter zugänglich ist. Unsere Anstrengungen, vom Galla-Gebiet auf die Inseln zu kommen, zeigten auch, daß es nicht allen Völkern gegeben ist, Papyrusboote zu bauen, selbst wenn sie zufällig am gleichen See wohnen. Die Kunst, Papyrusboote zu bauen, wurde vererbt; sie war ein alter Brauch, der die besondere Fähigkeit besaß, die Nomaden als Teil ihrer Tradition zu begleiten. Aber das Laki-Volk hatte die gleichen traurigen Erfahrungen gemacht wie die Mönche vom Tanasee. Der Papyrus mußte nach täglichem Gebrauch getrocknet werden. Wenn ein Obolu oder ein Shafat im Wasser liegen bleiben, sind sie nach acht, zehn oder höchstens vierzehn Tagen unbrauchbar.
Mit gemischten Gefühlen reiste ich nach Ägypten zurück. War es ratsam, sich mit einem Papyrusboot auf den Atlantik zu wagen?
6
In der Welt der Pyramidenbauer.
Eine Werft
im ägyptischen Sand
»S IE WOLLEN HINTER DER C HEOPSPYRAMIDE EIN S TÜCK W ÜSTE EINZÄUNEN , um ein Papyrusboot zu bauen...«
Der stämmige ägyptische Minister rückte seine Hornbrille zurecht und betrachtete mich mit einem neugierigen Lächeln. Er sah halb zweifelnd zum norwegischen Botschafter, der auch ein höfliches Lächeln zeigte, wie er gerade und weißhaarig neben seinem Landsmann als eine Art Garantie dafür stand, daß dieser Fremdling aus dem Norden auch alle fünf Sinne besaß.
»Papyrus sinkt nach zwei Wochen - diese Worte stammen nicht von mir, sondern vom Präsidenten des ägyptischen Papyrus-Instituts«, sagte der Minister. »Und die Archäologen sagen, Papyrusboote könnten sich niemals außerhalb der Nilmündung
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