Expedition Ra - Mit dem Sonnenboot in die Vergangenheit
schimmerte durch die formelle Maske. Ultramoderne Ministerial-büros. Der massig emporragende Koloß des Außenministeriums war mit vierzehn leeren Zierbecken vor der Treppe besonders elegant. Aber als der Sonntag kam, setzte ich mich erschöpft auf das Bett und stellte den ohrenbetäubenden Propeller ab. Dann lieber Mücken und Hitze. Ich hatte alles satt. In fünf Tagen auf keinem einzigen Papier einen Stempel oder eine Unterschrift! Aber wir hatten einen Missionar mit einem einmotorigen Flugzeug ausfindig gemacht, das mit Schwimmern auf dem See lande konnte; doch wenn ich versuchte, die beiden Budumas ohne gestempelt Papiere zu entführen, würde ich Abdullahs Schicksal erleiden.
Als ersten suchten wir den Regierungsdirektor für innere Angelegenheite auf, dem Abdullahs Probleme bekannt waren. Aber dieser konnte eine Ausländer nur über den Außenminister empfangen, dieser nur über de Kabinettschef, und der war nur über den Protokollchef zu erreichen. Bevor wir den Außenminister sprechen konnten, waren drei Tage vergangen denn jeder wollte die ganze Geschichte hören und U Thants Brief gründlich lesen. Der Außenminister saß hinter gepolsterten Türen. Er war ein Gigant, freundlich und unkonventionell, mit schwarzem Haarbüschel am Kinn, widerspenstigem Wollhaar und parallelen Narben über Stirn und Wange, Ehe er uns an das Innenministerium verwies, besprach er persönlich die Sache in zwei Sitzungen mit dem Präsidenten der Republik, Tonbalbaye. Präsident Tombalbaye war der Meinung, die Angelegenheit sei von so ungewöhnlicher Natur, daß erst im Ministerrat erörtert werde müßte, ob ein Bürger des Tschad in einem Kaday über das große Meer fahren dürfe.
Um Zeit zu gewinnen, versicherte ich, daß es im Moment nur darauf ankäme, drei Bürger aus dem Tschad an das Nilufer bringen zu dürfe um an Land einen Kaday zu bauen. Dann verwies man uns an das Innenministerium, das uns ans Arbeitsamt verwies, und das schickte uns nach Formularen in die Druckerei. Zwölf doppelseitige Verträge wurden für die drei Männer ausgefüllt, dann mußten wir zum Direktor des Bauamts, um Stempel und Unterschrift zu bekommen. Das Schicksal wollte es, daß ich in den vorgedruckten Verträgen zwei Spalten entdeckte, die alle weiten Bemühungen definitiv beendeten.
Die Verträge konnten nicht gestempelt werden, ehe sie nicht von Om und Mussa in Bol unterzeichnet waren. Noch schlimmer, auf dem Vordruck stand, daß der Vertrag ohne beigelegte ärztliche Bescheinigung ungültig sei. Aber woher bekommen? In Bol gab es keinen Arzt, und der Scherif lehnte es ab, sie ohne gestempelten Arbeitsvertrag ausreisen : lassen. Der Direktor des Bauamts rief einen Vertreter des Arbeitsamts herbei, und dieser betrachtete betrübt die schönen Verträge. Die Sache war klar. Beide waren die Freundlichkeit selbst, aber sie zeigten auf die Buchstaben, da könne ich es ja selbst sehen. Der Arbeitsvertrag ohne ärztliche Bescheinigung ungültig, ärztliche Bescheinigung ohne Ausreise unmöglich, und Ausreise ohne Arbeitsvertrag ungesetzlich. Also unmöglich.
Schachmatt knallte ich die Hoteltür hinter mir zu und stellte den Ventilator auf volle Stärke. Morgen war Sonntag. Ich war am Zerspringen. Ich setzte mich auf das Bett und schrieb in mein Notizbuch: »Hoffnungsloser Wahnsinn. Aber diese parodistischen Anordnungen stammen nicht von Tschad-Negern; sie sind im Grunde kluge, wunderbar unkomplizierte Menschen. Ich sehe nur ein Zerrbild unser selbst. Afrikas Kultur ist nicht so gewesen, wir haben ihnen diese neue Lebensart beigebracht.«
Ein Gedanke verließ mich nicht: Schwarze Schatten von weißen Wolken. Ich stellte den Ventilator ab und schlief zu entfernten militärischen Hornsignalen vom Palast des Präsidenten Tombalbaye ein.
Sonntag. Ich stattete dem fliegenden Missionar einen kurzen Besuch ab. Er hatte Benzin. Am frühen Montag morgen warf er den Propeller seines Flugzeugs an, und dann schaukelten er und ich über die Dächer der Ministerien, über Savanne, Wüste und schwimmende Inseln, und landeten auf hochaufspritzenden Wellen vor Bol. Wir hatten vierundzwanzig Seiten gedruckter Verträge und einen leeren Koffer an Bord des Flugzeugs, dann ging es auf Biegen oder Brechen, auch wenn die Dokumente keine anderen Stempel und Unterschriften besaßen als unsere eigenen.
Am selben Abend saßen zwei zu Tode erschrockene Buduma-Neger hinter uns in dem kleinen Flugzeug, als wir wieder von den Wellen vor ihren Grashütten abhoben. Der
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