Expedition Ra - Mit dem Sonnenboot in die Vergangenheit
warum?«
Erstaunt hielt ich Dr. Bernal das Mikrophon näher hin. »Weil überzeugende Argumente für eine mögliche Verbindung übers Meer noch lange vor Kolumbus sprechen, während andere, genauso überzeugende, dagegen sprechen.« »Was ist also Ihre Antwort?« »Um die Wahrheit zu sagen, ich weiß es nicht!«
»Dann stimmen wir vielleicht darin überein, daß dieses Problem immer noch ungelöst ist?«
Er zögerte einen kurzen Augenblick. »Ja«, sagte er dann entschieden.
Wir wiederholten das Interview noch einmal, um sicher zu sein, keinen technischen Fehler gemacht zu haben.
Genau in diesen Tagen waren die geheimen Pläne der Expedition durch eine undichte Stelle in Kairo in die Tagespresse gelangt. Die Neuigkeit war auch bis Mexiko gedrungen.
»Sie wollen also ein Schilfbooc auf dem Meer erproben«, fragte Dr. Santiago Genoves lächelnd. Er wollte seinen Kollegen Dr. Bernal besuchen, als wir gerade im Begriff waren, das Museum zu verlassen. »Richtig«, sagte ich. »Wollen Sie mitkommen?« »Ja - und das meine ich ernst.«
Ich sah Dr. Bernais mexikanischen Kollegen erstaunt an. Dr. Genovis war ein renommierter Kenner der amerikanischen Urbevölkerung, ich war ihm auf internationalen Anthropologenkongressen in Lateinamerika, in der UdSSR und in Spanien begegnet. Klein, aber unwahrscheinlich elastisch und robust stand er vor mir und fixierte mich mit ruhigem Blick. »Bedaure, aber der Platz ist schon von einem anderen Mexikaner besetzt. Das nächste Mal vielleicht«, scherzte ich.
»Dann setzen Sie mich auf die Warteliste. Wenn jemand absagt, komme ich binnen einer Woche!«
»Gut, abgemacht!«
Ich ahnte nicht, daß meine Worte in Erfüllung gehen sollten, als mir der kleine Wissenschaftler seine kräftige Hand zum Abschied reichte.
New York am nächsten Morgen. Das Hotelzimmer war voller Journalisten. Auch hier war die Expedition kein Geheimnis mehr. Der Papyrus war in Kairo angekommen. Der Bau des Bootes stand vor der Tür. Die drei Tschad-Neger saßen in diesem Augenblick wohl im Flugzeug, und Corio wartete mit dem Arbeiterstab im Lager. Morgen wollten wir alle zusammentreffen und anfangen. Mein Flugzeug ging am Abend, und ich hatte den Tag für die letzten hektischen Vorbereitungen in New York. Da erreichte mich ein Telegramm. Ich mußte mich setzen, als ich es las:
»ABDULLAH VERHAFTET. BOOTSBAUER NOCH IN BOL. SOFORT ANRUFEN.«
Das Telegramm war von meiner Frau unterzeichnet.
Ein Eilgespräch mit unserem Haus in Italien bestätigte, daß es kein Spaß war. Die Post hatte einen Umschlag aus dem Tschad mit einem kleinen Zettel von Abdullah gebracht. Da stand nur, daß er Omar und Mussa nicht holen konnte, weil er verhaftet worden sei. In einem Monat wollte er wieder schreiben. »Gruß Abdullah.«
Abdullah saß im Gefängnis. Was hatte er getan, und wo saß er? Keiner wußte mehr als das, was auf Abdullahs Zettel stand. Mussa und Omar lebten immer noch auf ihren schwimmenden Inseln südlich der Sahara, östlich der Sonne und westlich vom Mond. Ohne sie kein Boot. In elf Wochen mußten wir von Marokko in See stechen, wenn wir nicht in die Orkanzeit geraten wollten. Hinter den ägyptischen Pyramiden erwartete ein ganzer Stab die Gäste aus dem Tschad mit gemachten Betten und gedecktem Tisch. Jemand mußte auf der Stelle in den Tschad und die Papyrusleute zur Baustelle bringen. Das war meine Aufgabe. Jeden Mittwochmorgen ging ein Flug von Frankreich nach dem Tschad. Deshalb mußte ich am Dienstag mit gültigem Visum für die Republik Tschad in Paris sein. Heute war Freitag, George-Washington-Tag, und in den USA alles geschlossen. Und morgen, Sonnabend, waren alle öffentlichen Ämter zu. Dann war Sonntag. Mir blieb ein Tag, Montag, für das Visum, um die Reiseroute neu festzulegen und für die Finanzierung einer erneuten Reise ins Innere Afrikas, die nicht geplant war.
Drei Tage lang Straßen zwischen Wolkenkratzern, ohne etwas Vernünftiges tun zu können. Alles geschlossen. Montag früh strömten die New Yorker in die Büros. Hörer wurden abgehoben. Im UN-Gebäude waren Menschen aller Nationen anzutreffen. Nur niemand aus der Republik Tschad. Der Vertreter des Tschad sei heute in Washington, erklärte mir eine freundliche Stimme, und ich müsse dort hinfahren, um ein Visum für den Tschad zu bekommen. Mein Verleger saß in Chicago. In meiner Brieftasche war Ebbe. Flugscheine nach Paris am selben Abend, das ging in Ordnung, aber der Weiterflug nach dem Tschad erforderte Visum und Geld. Der Hörer
Weitere Kostenlose Bücher