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Expedition Ra - Mit dem Sonnenboot in die Vergangenheit

Titel: Expedition Ra - Mit dem Sonnenboot in die Vergangenheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thor Heyerdahl
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Strand war schwarz von Verwandten und Freunden, an der Spitze der Sultan und der Scherif. Sie starrten zu den beiden mutigen Akrobaten empor, die sich mit eisernem Griff im Sitz festhielten und wie Geier auf die kleine Welt hinabstarrten, in der sie aufgewachsen waren; keine Miene verzogen sie, hatten sie vielleicht nicht deutliche Brandmale an den Armen, die zeigten, daß sie freiwillig glühendes Eisen ertragen konnten, ohne sich etwas anmerken zu lassen? Die beiden in die Ferne Ziehenden folgten uns, so wie sie standen und gingen, in zerlumpten Gewändern und Sandalen. Der Koffer, den wir für sie mitgebracht hatten, blieb leer, sie besaßen nichts, was sie hineinlegen konnten.
    In Fort-Lamy gab es Umarmungen und stürmische Wiedersehensfreude darüber, daß Abdullah auf freiem Fuß war. Auf dem Marktplatz wurde Omar vom Käppchen bis zu den Sandalen in Hellblau eingekleidet und Mussa ganz in Gelb. In flatternden neuen Gewändern marschierten der Blaue und der Gelbe vor uns ins Polizeirevier und machten aus lauter Begeisterung über ihre neuen Paßfotos große Augen.
    »Name?« fragte ein narbiger Polizeiwachtmeister freundlich.
    »Omar M'Bulu.« »Mussa Bulumi.«
    »Alter?« fragte der Hüter des Gesetzes. Schweigen.
    »Wann ist Omar geboren?« »Vier Jahre vor Mussa.« »1927? 1928? 1929?«
    »Das glaube ich«, kam es zögernd von Omar. »Geboren etwa 1929«, schrieb der Wachtmeister. »Und Mussa?« »1929«, kam es schnell von Mussa.
    »Unmöglich«, erklärte der Wachtmeister, »du bist vier Jahre älter.« »Richtig«, pflichtete Mussa ihm bei. »Aber wir sind beide 1929 geboren.«
    »Geboren etwa 1929«, schrieb der Wachtmeister auch bei Mussa. Die Pässe mußten unterschrieben werden. Omar bedauerte, daß er nur auf arabisch unterschreiben könne. Er nahm den Stift, machte einen Anlauf und zeichnete über dem Papier einige elegante Schnörkel in die Luft, worauf der Wachtmeister den Stift zurück bekam und für ihn unterschrieb. Mussa schlug vor, daß der Wachtmeister für ihn gleich mit unterschreiben solle. Aber sie bekamen den Paß nicht ohne Arbeitsvertrag ausgehändigt, und darum begaben wir uns wegen der ärztlichen Bescheinigung in das katholische Krankenhaus. Dort wurde es lustig, als eine Nonne Mussa bat, sich bis zum Gürtel frei zu machen, und er das lange Gewand unschuldig bis zum Gürtel hochzog. Als Omar geröntgt werden sollte, war er auf dem Schirm unsichtbar, bis die Nonne das Licht wieder anknipste und ihn auf dem Bauch liegend oben auf dem Röntgenapparat fand. Der Sudan verlangte einen Pocken-Impfschein, und die Männer wurden geimpft, bekamen aber den Impfschein nicht, denn dem Krankenhaus waren die Formulare ausgegangen. Wir stürmten mit Abdullah zur Druckerei, die es ablehnte, neue zu drucken, ehe das Krankenhaus nicht seine alten Schulden bezahlt hätte. Im Büro der Sudan Airlines fand der Angestellte in einer Schublade drei alte Pockenformulare. Aber als das Krankenhaus sie ausfüllen sollte, kam ein französischer Arzt mit Omars Röntgenaufnahme, die eine gewaltige Blase auf der Leber zeigte. Der Riese Omar war ernsthaft krank, und man verweigerte ihm entschieden die Ausreise. Mussa wollte nicht ohne seinen arabisch sprechenden Bruder fahren. Das Papyrusboot verschwand immer mehr in der Ferne.
    Was konnte man für Omar tun? Wir wurden gemeinsam zu dem französischen Oberarzt, einem lächelnden Oberst, eingelassen.
    »Sie hier?«
    Das Wiedersehen war herzlich, und beide waren gleichermaßen überrascht. Als ich Oberst Lalouel das letzte Mal getroffen hatte, war er Militärarzt auf Tahiti. Gemeinsam fanden wir eine Lösung. Wenn Omar gezwungen wäre, nach Bol zurückzukehren, bliebe er ohne ärztliche Hilfe. Ich garantierte deswegen, daß Omar in Kairo unter ärztlicher Behandlung stehen würde, bekam ein Rezept über Spritzen und Tabletten und war somit für Omars Kur verantwortlich.
    Dann ging die Sudan-Maschine. Im letzten Augenblick wurden Omar und Mussa die Gangway hinaufgezogen, sie konnten schlecht sehen, weil sie sich gelbe und blaue Brillen in den Farben ihrer Gewänder angeschafft hatten. Laute Ausrufe von Abdullah, als er den Kopf hineinsteckte und die Einrichtung des Flugzeugs sah, während die beiden über die Kabine, die größer als das Haus des Sultans in Bol war, ganz andächtig wurden. Bald schwebten wir über der Wolkendecke, und während Abdullah und Omar in allen Einzelheiten den Mechanismus des Sicherheitsgurts und den verstellbaren Sitz ausforschten, zog

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