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Expedition Ra - Mit dem Sonnenboot in die Vergangenheit

Titel: Expedition Ra - Mit dem Sonnenboot in die Vergangenheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thor Heyerdahl
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eine Tür entdeckt hatte. Der helle Abdullah sah meinen Zeigefinger und zog sich mit den beiden, welche die Sperre nicht passieren durften, aus der Schlange zurück. Alle drei spazierten in einer Reihe in ihren blauen, weißen und gelben Gewändern um das Haus herum, und als das Flugzeug abhob, saßen wir alle vier an Bord. Omar und Mussa aus Bol setzten sich gewandt hin und legten den Gurt an, während sie die hübsche schwarze Stewardeß anlächelten und sich mit einem kleinen Bonbon von dem Tablett bedienten.
    Kairo. Das Empfangskomitee am Fuße der Gangway, voran der lächelnde norwegische Botschafter. Ein Vertreter des Ministeriums für Tourismus winkte uns durch die Sperre, ohne nach Visum oder Gelbfieber zu fragen, und der Chauffeur des Botschafters in seiner eleganten Uniform machte Mussa, Omar und Abdullah die Honneurs, als sie die Gewänder an den Beinen zusammenrafften und sich in das große Botschafterauto manövrierten. Jubelausrufe und andächtiges Murmeln der drei auf dem Rücksitz lösten einander bei den ersten Brücken, Unterführungen und fünfstöckigen Häusern ab. Eine Moschee, noch eine, die ganze Stadt war ja voller Moscheen, hier mußte das Paradies sein. Aber als im Zentrum die Häuser ganze Blöcke bildeten und so hoch in den Himmel emporragten, daß die drei nicht eher das Dach sehen konnten, ehe man ihnen nicht half, die Scheiben herunterzukurbeln, wurden sie immer schweigsamer. Dies war ein schlechter Spaß. Mussa wurde müde. Omar saß steif da, und das Weiße in seinen Augen leuchtete auf, wenn er verstohlen zur Seite guckte. Abdullah dagegen hielt den glattrasierten Kopf vornübergebeugt, und Mund und Augen weit aufgerissen, saugte er auch das geringste Detail von Straßenbahnschienen und Automarken bis zu Leuchtreklamen und Menschentypen in sich hinein.
    »Was ist das?« fragte Abdullah.
    Wir hatten die moderne Großstadt hinter uns gelassen und fuhren über die Gizehebene hinaus. Ich war auf diese Frage vorbereitet, wollte aber Abdullahs Reaktion beobachten. Die anderen saßen steif da und schliefen halb, aber Abdullah hatte lange mit unverwandtem Blick nach vorn gestarrt, und Augen und Mund waren in der Dunkelheit immer größer geworden.
    »Abdullah, das ist eine Pyramide«, erklärte ich.
    »Ist es ein Berg, oder haben das Menschen gemacht?«
    »Sie ist in alten Zeiten von Menschen gebaut worden.«
    »Diese Ägypter! Sie haben es weiter gebracht als wir. Wie viele wohnen darin?«
    »Nur ein Mann, und der ist tot.«
    Abdullah brach in bewunderndes Gelächter aus.
    »Diese Ägypter, diese Ägypter!«
    Zwei weitere Pyramiden tauchten auf. Jetzt wurde auch Abdullah ganz stumm. Das Weiße in seinen Augen leuchtete auf. Mit Taschenlampen wurden die drei Tschad-Neger auf einen weiten Spaziergang vom Auto durch die weichen Sanddünen zu Corios fertig eingerichtetem Zeltlager geführt, das im Mondschein gespenstisch weiß in der sanft abfallenden Talsenkung hinter Pyramiden und der Sphinx leuchtete. Die drei, die vor uns über den mondhellen Sand schritten, ahnten kaum, daß sie vielleicht seit Tausenden von Jahren die ersten Papyrusbootbauer waren, die an den Tatzen der Sphinx vorbeigingen, und daß sie über uralte Grabkammern hinwegstapften, in denen die Bootsbauer des Pharao lagen, versteckt und vergessen mit ihrem Wissen, das nun über weite, sehr weite Umwege wieder an den Fuß der Pyramiden gelangte. Gute Nacht, Abdullah. Du hast ein Zelt für dich. Mussa und Omar bekommen das Nachbarzelt. Betäubt von unglaublichen Eindrücken, neuem Wissen, schielten alle drei zum letzten Male verstohlen auf die breiten, spitzen Wolkenkratzerberge der Pharaonen, die wie Schatten unserer Zelte gegen das unveränderliche Sternengewimmel massig emporragten. »In jeder nur ein Mann, und der ist tot«, murmelte Abdullah auf arabisch zu Omar. Omar brauchte das nicht ins Buduma zu übersetzen, denn sein Bruder lag schon auf dem Rücken in seinem Feldbett und schnarchte voll neuer Eindrücke.
    Als die Morgensonne ihre ersten roten Lichtpfeile hoch über den Zeltdächern aus ihrem Versteck hinter den Sanddünen am Horizont abschickte, glühten die Spitzen der drei Pyramiden wie warme Lava. Es war noch dunkel und kalt, als die drei in ihren langen Gewändern hinauskrochen und zitternd die rotglühenden Pyramidenspitzen in der Erwartung betrachteten, daß die Sonne auch auf gewöhnliche Menschen scheinen würde, die im kalten Morgensand froren und den Sonnenaufgang erwarteten, um im Gebet an Allah auf die

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