Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Expedition Ra - Mit dem Sonnenboot in die Vergangenheit

Titel: Expedition Ra - Mit dem Sonnenboot in die Vergangenheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thor Heyerdahl
Vom Netzwerk:
Gewiß. Aber warum, warum dieser nach innen gedrehte Bogen? Allein aus ästhetischen Gründen, meinten alle. Ein besserer Grund fiel keinem von uns ein, aber das war Grund genug, den alten Vorbildern auch in diesem Punkt zu folgen. Die Bogensehne war viele Tage lang gespannt. Aber eines schönen Morgens war sie weg. Unsere Freunde aus dem Tschad hatten sie entfernt, sie störte ihre Arbeit und war nicht länger erforderlich, denn der Schnörkel am Achtersteven stand jetzt unerschütterlich von selbst. Wir baten sie, sofort das Tau wieder anzubinden, aber wir beugten uns dem logischen Argument, daß wir später ja selbst die Bogensehne wieder spannen könnten, falls wir es für erforderlich hielten und der Schnörkel sich wieder geradebog. Jetzt wurde die Bogensehne nicht gebraucht.
    Während bei den Holzbooten die Stredstaue zwischen zwei Gabelpfosten aufgehängt waren, lief auf Malereien und Reliefs bei Papyrusbooten ein dickes gedrehtes Tau um das ganze Deck, um das Schilf zusammenzuhalten, es kompakter zu machen und den Mastversteifungen, den Pardunen, Halt zu geben, die ja nicht an dünne Binsen festgebunden werden konnten.
    Bei Wanderungen in unterirdischen Korridoren und Säulengängen halfen uns drei- bis viertausend Jahre alte Wandmalerein durch die wahrheitsgetreuen Wiedergaben der Künstler - die alle Details oft als flaches Relief in prachtvollen und immerwährenden Farben wiedergegeben haben -, uns in das Leben zu Wasser im Altertum hineinzuversetzen. Wir mußten versuchen, uns in die alten Comic Strips hineinzuversetzen, denn kein jetzt lebender Mensch besaß Erfahrungen in dem, was jetzt auf uns zukam. Oft war es schwierig, auf den Bildern zwischen Holz- und Papyrusbooten zu unterscheiden, weil die Holzboote gewöhnlich die Form des Papyrusbootes nachahmen. Aber die Grabmalereien zeigen über mehrere Bilder hindurch, wie Arbeiter in Papyrussümpfen Schilf ernten und es in Bündeln auf den Rücken zu Bootsbauern tragen, die das Schilf mit Taurollen, welche ihnen kleine helfende Lehrlinge reichen, zu Booten zusammenbinden.
    Auf den Papyrusbooten sieht man Körbe voller Früchte und Backwerk, Krüge, Säcke, Kisten, Käfige mit Federvieh, Affen, lebende Kälber, Fischer, Jäger, Kaufleute, Krieger, Fürsten und ganze Grabgefolge mit Göttern und Vogelmännern. Hier arbeiten nackte Fischer mit Keschern, Netzen, Reusen und Angelschnüren mit Haken. Hier kämpfen Flottillen von Papyrusbooten. Hier harpunieren Jäger Flußpferde von Papyrusdecks aus. Hier sitzen Frauen auf Lasten und stillen ihre Kinder. Hier sitzt Pharao selbst mit seiner Königin auf einem Schiffsthron an einem Tisch, der sich unter Speisen biegt, ein Steward steht bereit, den Becher zu füllen. Einzelne Malereien zeigen den Pharao symbolisch als Riesen, der über die ganze Länge des Bootes hinwegschreitet, andere zeigen detailliert zwanzig Paar Ruderer und einen Schrägmast mit großer Takelung, in der ein halbes Dutzend Seeleute in Rahen und Pardunen klettern und an Fallen ziehen. Dieses ausgesprochen moderne Segelsystem verrät eine vollausgereifte Seemannskunst schon vor fünftausend Jahren. Die feinsten Papyrusschiffe besitzen ornamentale Tierköpfe an den Enden und prachtvoll geschnitzte, bemalte und vergoldete Kabinenpfosten, Sonnendach, Steuerruder und andere Schiffseinrichtung, alles mit demselben Können, mit demselben Geschmack, die das alte Ägypten in Bauwerken und Gebrauchsgegenständen auf dem festen Land hervorbrachte.
    Die Pharaonen besaßen genügend Stein, um Pyramiden so groß wie Berge zu bauen. Sie besaßen auch genügend Papyrus; deswegen hätte sie nichts daran hindern können, Schilfboote zu bauen, die so groß wie schwimmende Inseln waren. Unser Papyrusboot war gerade ein Fünftel so lang wie die Sphinx. Wir kamen uns klein vor, wenn wir die Unterwelt der Mumien verließen und uns zwischen die Tatzen der Steinriesin stellten. Papyrus wird viel schneller vom Zahn der Zeit zerstört als Stein.
    Wenn wir nur die Wandmalereien der Unterwelt dort unten als Vorbild besessen hätten, würde niemand in unserer modernen Zeit glauben, daß Sphinxe und Pyramiden von solchen übermenschlichen Dimensionen Tausende von Jahren vor Kolumbus hätten geschaffen werden können. Wie gern wir uns auch einbilden, erst wir hätten es so herrlich weit gebracht, so liegen doch die Pyramiden dort als Denkmäler, die uns zur Vorsicht mahnen. Es verrät nicht gerade Klugheit, die Fähigkeiten andrer zu unterschätzen, denn wenn sie auch vor

Weitere Kostenlose Bücher