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Expedition Ra - Mit dem Sonnenboot in die Vergangenheit

Titel: Expedition Ra - Mit dem Sonnenboot in die Vergangenheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thor Heyerdahl
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Meer kannte er nur von unten, und als er um Mitfahrerlaubnis bat, nachdem er das Urteil der Papyrusexperten gelesen hatte, gab er die launige Begründung, er gedeihe unter Wasser besser als über Wasser. Wie andere alte koptische Familien in Ägypten führte auch die Familie Sourial ihre Abstammung bis vor die Zeit zurück, als die Araber Mohammeds Lehre in das Nilland brachten. Während Georges gewöhnlich vierzehn Stunden am Tag wie eine Mumie schlief, stand er von dem Tag an, als er eine kleine Chance sah, mitzukommen, plötzlich ganz früh auf und meldete sich zum Dienst im Lager hinter den Pyramiden. Seine seltsamen Bekanntschaften in allen Winkeln Kairos brachten uns mit alten Segelmachern zusammen, die noch mit Nadel und Faden nähten, mit einem Korbmacher, der unsere Hütte mit den Händen flocht, mit einem Bäcker, der ägyptisches Brot nach einem Rezept des Kairoer Museums buk, und mit einer ganzen Gilde von Töpfern, die auf einem verborgenen Hügelkamm wohnte, dort bis zum Nabel in Tonbrei stand und ihn mit Körper und Beinen rührte, bevor sie die Töpferscheibe mit nackten Beinen schnurren ließ, so daß wir unsere 160 Amphoren ganz nach dem 5 000 Jahre alten Vorbild im Kairoer Museum angefertigt bekamen.
    Tag für Tag stampften die Papyrusbündel im Hafen und sogen immer mehr Seewasser in sich ein, während an Bord eine fieberhafte Aktivität herrschte. Papyrus und Taue wogen bisher ungefähr zwölf Tonnen, aber Tonne um Tonne wurde unter der Wasserlinie eingesogen, ohne daß unser Papyrusboot sank. Gleichzeitig wurde tonnenweise Ladung an Deck gebracht, ohne daß sich das Fahrzeug sichtbar bewegte. Es lag unerschütterlich wie eine Insel. Am schwersten war der große Schrägmast, der an Bord errichtet wurde, aber die Brücke, die wir hinter der Flechtwerkhütte aus zusammengebundenen Pfählen bauten, so daß wir über das Dach blicken konnten, wog auch eine ganze Menge. Wenn man die Korbhütte dazu-rechnete und die schweren Steuerruder und Reservestämme für Reparaturen an Deck, trugen die Papyrusrollen gut zwei Tonnen Bauholz, außerdem wohl eine Tonne Wasser in schweren Krügen und mindestens zwei Tonnen Proviant, Verpackung und Ausrüstung.
    In der letzten Woche herrschte eine fieberhafte Aktivität. Jeder Tag, den der Papyrus im Seewasser lag, verkürzte den Experten zufolge seine Lebensdauer um einen Tag, und das war ein guter Grund zur Eile. Ein nicht weniger einleuchtender Grund war, daß wir uns mit jedem Tag immer mehr der Orkanzeit auf der anderen Seite des Atlantiks näherten. Wie durch ein Wunder hatten wir das Programm trotz aller Hindernisse mit einer zulässigen Woche Verspätung eingehalten, aber nun erreichte die Geschäftigkeit ihren wirklichen Höhepunkt, denn jetzt durften wir keinen Tag mehr verlieren. Auf dem Kai wurde gepackt, getragen und gezurrt. Es wurde in Masten und Pardunen geklettert, gespannt und geknotet. Es wurde geschlagen und geschnitten, an Steuerruder und Rudern wurden Reeps und Leder festgezurrt. An Bord wimmelte es von helfenden Händen. Kapitän de Bock war belgischer Veteran der ersten professionellen Archäologen-Expedition zur Osterinsel und erfahrener Seebär. Er hatte die voraussichtliche Driftroute des Papyrusbootes ausgerechnet, bevor er sich von seinem Posten als Hafenlotse in Antwerpen beurlauben ließ, wo er für Fünfzig- bis Hunderttausendtonner verantwortlich war. Nun stand er ruhig und massig auf dem Papyrusdeck und kontrollierte, ob Stauung und Takelung nach seemännischer Tradition erfolgten. Sein norwegischer Kollege, Kapitän Hartmark, hatte früher mein Expeditionsfahrzeug zur Osterinsel gesteuert. Jetzt hing er zusammen mit dem Alpinisten Carlo Mauri in der Mastspitze und befestigte die Takelung auf Seemannsart. Herman Watzinger von der Xon-Tz&z-Expedition war von Peru heraufgekommen, um uns beim Start zu helfen, und aus New York war Frank Taplin mit Grüßen U Thants eingetroffen. Unsere Frauen hockten mit der Frau des Paschas an der Spitze in dem Warenschuppen an Land um die Krüge herum und stopften Schafskäse in Olivenöl, frische Eier in Kalkwasser, getrocknete Fische, Nüsse und Schafswurst in Körbe und Säcke. Aicha Amara vermischte Honig mit gemahlenen Mandeln, Butter, Mehl und Datteln zu Sello , trockenen Klumpen, dem ältesten und haltbarsten Reiseproviant Marokkos. An manchen Tagen mußte uns der Pascha von Safî mit Polizeisperren helfen, damit die Arbeit auf dem Kai nicht ganz stockte, wenn Presse, Fotografen und Publikum sich

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