Expedition Ra - Mit dem Sonnenboot in die Vergangenheit
Johannes XXIII. gestifteten Friedenspreis 1969 entgegenzunehmen. Er war eine Belohnung für seine Kampagne gegen Krieg und Aggression in dem Buch »Pax?«, das er jetzt verfilmte. Von Spanien kam er gerade rechtzeitig nach Marokko, um den Landtransport des Schilfbootes von Tanja nach Safî zu überwachen, und jetzt stapelte er schon als Proviantmeister birnenförmige ägyptische Krüge auf das unebene Schilfdeck, wo sie umfielen, wenn man sie nicht gegeneinander stützte und mit Tauen festzurrte. Kokosnüsse in Faserschalen eigneten sich ausgezeichnet als Füllwerk. Wir hatten hundertsechzig solcher Amphoren nach Modellen der altägyptischen Krüge im Kairoer Museum anfertigen lassen, und Santiago behandelte sie ebenso sorgfältig wie die alten Indianerschädel an der Universität von Mexiko. Und die wissenschaftliche Gründlichkeit, mit der er Krüge, Körbe und Behälter aus Ziegenleder numerierte und registrierte, verriet seine lange Tätigkeit als Redakteur des Internationalen Jahrbuches für Physische Anthropologie. Ich hatte Santiago flüchtig auf Wissenschaftliehen Kongressen in vielen Ländern gesehen. Während des Bürgerkriegs war er aus Spanien geflüchtet, aber später hatte ich ihn auch dort getroffen; und nun zuletzt in Mexiko. Er besaß einen Forschungsauftrag an der Universität und hatte sich auf die Probleme des wahrscheinlich gemischten Ursprungs der Indianer spezialisiert. Seemännische Erfahrung besaß er überhaupt nicht. In einem Punkt unterschied sich dieser kleine muskulöse Wissenschaftler von allen anderen Forschern, die ich kannte: Er war professioneller Fußballspieler gewesen.
Wenn jemand noch weniger von der Arbeit des Seemanns wußte als Juri, Carlo und Santiago, dann mußte es Abdullah Djibrine sein, der Neger aus dem Tschad. Er war im Herzen Afrikas aufgewachsen und wußte nicht einmal, daß Meerwasser salzig ist. Nun sollte er als Papyrusexperte der Expedition mitfahren. Vielleicht kannte ich diesen fremdartigen Burschen nach zwei Reisen in den Tschad und sieben gemeinsamen Wochen hinter den Pyramiden am besten. Scharfsinnig und geistesgegenwärtig, aber gegen alles und alle wachsam wie eine Gazelle, kannte sich Abdullah am Ende vielleicht nicht einmal selbst. Wenn ich sein eigenes Seemannsgarn über Reisen nach Paris und Kanada abzog, wußte ich nur von ihm, daß er in einem kleinen Dorf nahe den Papyrussümpfen des Tschad geboren worden war. Dort hatten ihn die Männer des Stammes - als er so klein war, daß er sich gerade noch daran erinnern konnte — mit Gewalt der Mutter entrissen, um ihm das Mal über Stirn und Nasenrük-ken einzuritzen. Außerdem war er Tischler und ein Liebling der Frauen. Als guter Mohammedaner hatte er das Recht auf mehrere Frauen - und ich die Pflicht, sie zu unterhalten. Eine Frau mit drei Kindern und eine zweite, die er fünf Minuten vor seiner Abreise geheiratet hatte, bereiteten uns mit monatlichen Devisentransaktionen in die Republik Tschad etliche Schwierigkeiten. Und in der einen Woche, als ich mich auf einen Sprung in Marokko aufhielt, nahm er die Gelegenheit wahr und heiratete eine dritte. Die Hochzeitsfeier in großem Stil wurde aufgeschoben, bis ich zurückkehrte und Gastgeber sein konnte. Dann fand sie mit Bauchtänzerinnen und ägyptischen Spielleuten auf dem Dach des Araberhauses seines Schwiegervaters statt, und Mussa und Omar waren über die schöne, schüchterne Braut so begeistert, daß sie den größten Teil ihres Wochenlohns in ihren bereits wohlgefüllten Büstenhalter stopften. Jetzt hatte ich auch in Ägypten monatliche Devisenprobleme und schwor, Abdullah in Marokko nicht aus den Augen zu lassen.
Der Benjamin der Mannschaft war der Ägypter Georges Sourial, ein gelernter Chemie-Ingenieur, professioneller Froschmann, unverbesserlicher Playboy, sechsfacher ägyptischer und einmaliger afrikanischer Judomeister. 192 Zentimeter von Kopf bis Fuß, ein Körper wie Tarzan, hatte Georges nach der Studienzeit keinen Finger gerührt, außer daß er sich in Kairoer Klubs und in den Wellen des Roten Meers tummelte. Er unterhielt erschreckte Freunde damit, sechs Ziegelsteine auf einmal mit der Handkante durchzuschlagen. An der Wade hatte er Narben von Haifischzähnen. Er wagte es als einziger meiner Bekannten, vor die Höhle der lebensgefährlichen Morai-Aale hinunterzutauchen, sie mit Fischen zu füttern, die er im Mund hielt, und die großen Bestien dabei zu streicheln, als seien sie friedliche Schoßhunde. Georges war kein Seemann, das
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