Expedition Ra - Mit dem Sonnenboot in die Vergangenheit
Botschafterflugzeug und ein Hubschrauber, die aus der Hauptstadt Rabat herübergekommen waren. Außerhalb der Mole endete der Spektakel, allmählich begann die Meeresdünung zu rollen, die kleinsten Begleitboote kehrten in ruhiges Wasser zurück, und wir waren mit dem Atlantik und den größten Fischerbooten allein. Unsere vier Ruderboote machten los, und mit arabischen Glückwünschen fuhren die Ruderer mit den kleinsten Motorbooten' hinter die Mole zurück.
Zum ersten Male setzten wir das Segel der Ra . Es war groß und schwer, solides ägyptisches Segeltuch; die Höhe betrug acht Meter, und oben an der Rah maß es sieben Meter in der Breite, während es nach altägyptischer Art nach unten hin schmaler wurde und an Deck nur fünf Meter breit war, wie das Papyrusboot. Einige schwache Windstöße pufften die schwere Rah gerade vom Schrägmast klar und verrieten, daß der leichte Landwind abflaute. Dann hing das große burgunderfarbene Segel fast unbeweglich und zeigte seine rostrote Sonnenscheibe, die in neuer Farbe glänzte und den Sonnengott Ra symbolisierte. Die Flaggen hingen wie bunte Wäsche unbeweglich an einer Leine über dem Hüttendach, nach dem englischen Alphabet geordnet: Tschad, Ägypten, Italien, Marokko, Mexiko, Norwegen, USA und UdSSR, auf jeder Seite von der optimistischen Flagge der Vereinten Nationen flankiert, einem weißen Globus auf hellblauem Grund. Abdullah und ich hielten jeder ein großes Steuerruder auf der Brücke hinter der Korbhütte. Abwechselnd beobachteten wir besorgt das schlaffe Segel und die weiße Brandung, die nur einige hundert Meter von uns entfernt gegen die Steinmole schäumte. Kam sie nicht näher? Doch. Eine Landmarke von der Kaispitze in gerader Linie zu einem Turm auf der Burgmauer verriet, daß wir wieder langsam auf das Land zutrieben. Vielleicht hinderte die lange Felsspitze, die nördlich von uns hinausragte und Safî Schutz bot, den Landwind daran, das Segel zu füllen. Wir warfen dem nächsten Fischerboot ein Tauende zu und steuerten, umgeben von einem tuckernden Gefolge von weiteren Fischerbooten, bald mit straffem Seil in voller Fahrt hinaus. Mit dieser Fahrt gehorchten wir nicht den Gesetzen der Natur. Als erstes wirbelte eine Leine mit einem Netz voll lebender Hummer, das wir hinterherschleppten, in unser Kielwasser. Die Leine wickelte sich um ein Steuerruder, und das Steuerruder spannte sich gefährlich und drohte zu brechen. Ein Schnitt mit einem scharfen Messer, und das Steuerruder war gerettet; das Festessen mehrerer Tage verschwand hinter uns in der Dünung. Als nächstes brach eines der drei dicken Ruder, die wir an der Seite der Ra wie ein Kielschwert festgebunden hatten, allein durch die Geschwindigkeit quer durch. Gerade an dieses Ruderblatt hatte Norman unser künftiges Band zu Verwandten und Freunden an Land geknüpft; er hatte nämlich hier die Kupferplatte befestigt, die unserem kleinen tragbaren Funkgerät als Erdleitung dienen sollte. Metall gehörte entschieden nicht auf ein elastisches Papyrusboot, und das Ruderblatt brach auf den Millimeter genau dort, wo der Kupferbeschlag endete, und wurde nur dadurch geborgen, daß der Beschlag an der Erdleitung hängenblieb.
So ging es nicht. Wind hin, Wind her, wir mußten schon selbst zurechtkommen. Wir hielten die Eskorte an, holten alle Reeps an Bord und setzten das Segel aufs neue. Wir bemerkten, wie heftig die großen Fischerboote um uns herum, verglichen mit unserem floßähnlichen Fahrzeug, rollten. Dagegen rollte unser Boot, wie sein Vorgänger, das Balsafloß Kon-Tiki , in der breiten Dünung nur langsam auf und ab. Erst kam der Wind in schwachen Stößen, dann gleichmäßig zunehmend. Aber es war kein Landwind mehr. Der für diese Jahreszeit typische Nordostwind hatte sich gedreht und blies von Nordwesten direkt gegen die flachen Klippen, die sich südlich von Safîs sicherem Hafen erstrecken. Wir lagen noch so dicht vor der Küste, daß wir alle Häuser und die tückische Brandung erkennen konnten. Dort, wo die großen marokkanischen Tiefebenen ihre sonnenverbrannten Fassaden in ewigem Kampf mit dem Meer waschen, kroch die Brandung die senfbraunen Felsen auf und ab. Dorthin würde uns der Wind treiben, wenn wir die Schilffähre nicht manövrieren konnten
Auf eins waren alle sieben an Bord gleichermaßen gespannt: Wie würde der Steuermechanismus funktionieren? Hier lag das größte Risiko, denn wir hatten keine Lehrmeister. Wir hofften, daß uns Wind und Strom vor der marokkanischen Küste
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