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Expedition Ra - Mit dem Sonnenboot in die Vergangenheit

Titel: Expedition Ra - Mit dem Sonnenboot in die Vergangenheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thor Heyerdahl
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in freundlicher Neugierde Schulter an Schulter drängelten, so daß ein Mann über die Kaimauer fiel, Krüge zu Bruch gingen und eine Paraffinlampe zertrampelt wurde.
    Dann kam der große Tag. Die Ra hatte nun acht Tage im Hafen gelegen und Seewasser eingesogen — und damit, dem Urteil der Experten zufolge, die Hälfte ihrer Lebenszeit hinter sich. Der Tag begann mit schwachem Landwind, der an Stärke zunahm, und am 25. Mai, morgens um acht Uhr, wiesen die Flaggen auf der Ra und auf der alten portugiesischen Festung an Land direkt auf den offenen Atlantik. Der Vertrauensmann der Sardinenfischer und Sonderberater der Expedition, Rais Fath, ein riesiger, dunkelhäutiger Araber, kam jetzt als Anführer von sechzehn seiner Leute mit vier offenen Booten durch den Hafen gerudert. Sie sollten die Ra aus dem Hafen schleppen.
    Auf der langen Steinmole herrschte chaotisches Durcheinander, die Menschenmenge stand wie eine undurchdringliche Mauer zusammengedrängt, und in allen Booten und auf Kränen saßen Fotografen. Die Frau des Paschas kam nur mit Hilfe der Polizei zum Kai, um uns ein Abschiedsgeschenk zu überreichen: ein kleines springlebendiges Äffchen, das vor kurzem von den Männern des Paschas im Atlasgebirge gefangen worden war und den Namen Safî erhalten hatte. Es klammerte sich verzweifelt an die Schiffspatin, bis es entdeckte, daß einige Männer an Bord einen Pelz im Gesicht trugen; da sprang es fröhlich zu uns herüber und bekam von den zahllosen Abschiedsumarmungen und guten Wünschen in vielen Sprachen einen großen Teil ab. Währenddessen banden die Fischer unbeirrt von dem ganzen Spektakel von jedem ihrer vier Ruderboote aus ein Tau an ein dickes Reep, das wir an der Wasserlinie um das ganze Schilfboot gelegt hatten. Jetzt warteten sie nur auf das Zeichen, uns von dem Menschengewühl wegzurudern. Einer nach dem anderen rissen wir uns los und sprangen von der hohen Steinmole auf das weiche Pflanzendeck des Papyrusbootes. Abdullah, Georges und Santiago warfen Kußhände und Autogramme zum Kai hinauf, Carlo umarmte seine blonde italienische Frau zum letzten Male, Norman, der an einer Halsentzündung litt, riß sich von den guten Wünschen und Ermahnungen des amerikanischen Botschafters los, während Juri vor seiner ersten Fahrt ohne russische Leitung und Organisation von dem russischen Botschafter rührend umarmt wurde. Man drückte mir ein Mikrophon in die Hand, und ich hielt eine letzte Dankesrede an alle Freunde und Mitarbeiter der Expedition. Sie blieben auf dem Kai zurück, aber wir fühlten, daß sie eigentlich zu uns an Bord gehörten: Botschafter Anker aus Kairo, Pascha Amara und seine marokkanischen Helfer, die Kapitäne de Bock und Hartmark, Lektor Corio, Herman Watzinger, Frank Taplin, Bruno Vailati. Dann sprang ich zu den anderen an Bord. Man federte beinahe wie auf einer Matratze. Ich gab Rais Fatah ein Zeichen, die Männer an Land warfen los, und die sechzehn Fischer legten sich in die Riemen und begannen zu rudern. Es war 8.30 Uhr. Allmählich entfernte sich unser breites Schilfboot vom Kai.
    Da erhob sich so unerwartet ein schrilles Geheul, daß alle zuerst zusammenzuckten; nachher war manchen noch die Kehle wie zugeschnürt. Alle Fischerboote im Hafen hatten ihre durchdringenden Sirenen aufheulen lassen, und das Getöse von Fabriksirenen, Silos und Lagerhäusern an Land begleitete sie, Schiffsglocken bimmelten, die Menschenmenge schrie, und ein Frachter auf der Reede schickte zischende Signalraketen gen Himmel; sie zerbarsten zu einem Sternenregen, der langsam, wie ein blutroter Rauchteppich, vor uns auf der Wasserfläche niederging. Dieser königliche Abschied erschreckte uns fast auf dem fremdartigen Boot, auf dem wir versuchsweise, an einer sonderbaren Takelung zogen und zwei parallele, schräggestellte, ruderähnliche Steuer drehten; sie waren von keinem Menschen benutzt worden, seit die letzten Ägypter das System an ihren Grabwänden verewigt hatten, ehe sie selbst und ihre Boote von der Erdoberfläche verschwanden. Wenn jetzt das System bei uns nicht funktionieren würde! Wenn jetzt die Wellen vor der Hafenmauer die Papyrusbündel in Wind und Wetter zerstreuen würden, und wir müßten zur Mole zurückschwimmen! Hinter uns setzte sich der ganze Hafen in Bewegung. Eine Eskorte von Fischerbooten, Segelbooten und Motorbooten begleitete uns bis hinter die äußerste Mole, während alle Sirenen und Glocken wie in der Silvesternacht unentwegt lärmten. Über uns kreisten ein

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