Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Expedition Ra - Mit dem Sonnenboot in die Vergangenheit

Titel: Expedition Ra - Mit dem Sonnenboot in die Vergangenheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thor Heyerdahl
Vom Netzwerk:
einem primitiven Steuerruder und einem modernen Ruder. Irgendwann im Altertum hatten die Ägypter entdeckt, daß es unnötig schwer ist, ein langes Steuerruder seitwärts zu schieben, um ein Segelboot herumzudrehen; es reicht aus, den Schaft so zu drehen, daß das Blatt nicht senkrecht im Wasser steht, dann dreht sich das Fahrzeug ebenso. Darum hatten sie einen Querknüppel in den Schaft gesetzt und hatten die Steuervorrichtung erfunden, die wir jetzt benutzten. Die dünne aufgehängte Querstange war nur eine Verbesserung, damit ein einzelner Rudergast an jeder Seite des Bootes gleichzeitig beide Ruder handhaben-konnte. Dann mußten die Seefahrer des Altertums nur noch entdecken, daß sie ein neuartiges Ruder erfunden hatten, wenn sie das Ruderblatt senkrecht stellten und weiter an dem kleinen quergestellten Griff drehten.
    Abdullah, der Sohn der Wüste, stand mit leuchtenden Augen neben mir auf der Brücke und ergriff nun auch die lange dünne Querstange; mit vier Händen ging es noch leichter. Unten auf dem Deck liefen die anderen nach Normans Anweisungen hin und her und zogen an Reeps, bis sich das Rahsegel in eine Stellung drehte, in der es den wechselnden Wind am besten ausnutzte. Unsere ersten unsicheren Experimente wurden von gespannten Journalisten und erfahrenen Seebären auf den tuckernden Fahrzeugen in unserem Umkreis genau verfolgt, und alle schienen genauso erleichtert wie wir selbst, als sich herausstellte, daß sich das Schilfboot tatsächlich steuern ließ. Der Nordwestwind blies uns direkt aufs Land zu, aber wir schafften es, uns 90 Grad zum Wind zu drehen, so daß er quer auf die Steuerbordseite wehte und wir uns dadurch parallel zum Land nach Südwesten bewegten. Hier draußen vor der offenen Küste bot Kap Badusa keinen Schutz; die Dünung rollte gleichmäßig und kräftig, und die Fischerboote, die aus diesem Anlaß zahlreiche mehr oder minder seetüchtige Passagiere an Bord hatten, kehrten allmählich um. Nacheinander ertönten die Hörner auf den Booten; man winkte uns zum Abschied zu. Ich sah Yvonne, wie sie trotz ihrer Seekrankheit versuchte, auf beiden Beinen fest zu stehen und mit beiden Armen zu winken. Der Hubschrauber verschwand, und das Flugzeug drehte eine letzte Schleife über uns.
    Dann waren wir mit dem Meer allein. Sieben Mann, ein Affe, der verzückt in den Pardunen turnte, ein Holzkäfig voller gackernder Hühner und eine einsame Ente. Es wurde sonderbar still; nur das Meer rollte und schäumte um unsere friedliche Arche Noah.
    Sobald Norman das große Segel aufgezogen und nachgesehen hatte, ob alle Schoten und andere Leinen sachgemäß befestigt wurden, stakte er achtern über das Papyrusdeck und vertraute mir an, daß er sich jetzt wirklich schlecht fühlte. Sein Gesicht war weiß, und seine Augen waren rot. Juri schwankte auf unsicheren Beinen herüber und stellte zum Entsetzen aller fest, daß Norman 39 Grad Fieber hatte. Grippe. Der Seewind warf sich mit immer kälteren Stößen gegen uns, und unser russischer Arzt schickte unseren amerikanischen Navigator sofort in seinen Schlafsack in die Korbhütte. Damit war unser einziger Seemann vorläufig kaltgestellt
    Der Seewind frischte auf, die schäumenden Wellen nahmen zu. Wenn die größten Wellen auf uns zustürzten, hob die Ra nur eine Seite und lief sie elegant unter den Schilfrollen passieren. Aber zwischendurch schlugei die Wellen so kräftig gegen die Ruderblätter, daß sich beide Schäfte sichtbar bogen und ich dem kräftigen Abdullah zubrüllen mußte, er solle seinen eisernen Griff lockern und dem Druck etwas nachgeben, damit die Ruder nicht brachen.
    Alles klappte, und die Stimmung war großartig, sogar bei dem unglücklichen Patienten. Er beklagte sich, daß er sich nicht nützlich machen konnte Carlo hatte sich sofort als der souveräne Knotenexperte des Bootes entpuppt. Er war es gewohnt, in Tauen hängend zu schlafen und zu essen nun kam er begeistert, servierte heißen Kaffee und kalte Hühnerkeule und vertraute mir freudestrahlend an, das Leben auf dem Meer sei ja genauso wie auf den Alpengipfeln; die gleiche Verbundenheit mit der Natur, der gleiche herausfordernde Wettstreit mit den Elementen und die Notwendigkeit, unerwartete Probleme schnell zu lösen.
    Wir trieben gleichmäßig und sicher mit etwa vier Knoten Geschwindigkeit quer zur Windrichtung, und die Küste schien nicht näher zu kommen Um 3.15 Uhr nachmittags hatte ich das Gefühl, alles gehe so gut, daß Abdullah und ich von der nächsten Ruderwache

Weitere Kostenlose Bücher