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Expedition Ra - Mit dem Sonnenboot in die Vergangenheit

Titel: Expedition Ra - Mit dem Sonnenboot in die Vergangenheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thor Heyerdahl
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nächsten Augenblick so dicht heranpreßte, daß ein dazwischen-gesteckter Finger zerquetscht worden wäre. Hier mußte man auf der Hut sein und auf seine Finger aufpassen, bis man an Bord heimisch geworden war. Aber wir erwarteten mit großer Spannung, wie dieses Papierboot sich in einigen Wochen verhalten würde, wenn es schon nach einem Tag in den Wellen so elastisch schwankte.
    Durch meine Erfahrung mit der Kon-Tiki wußte ich schon vor dem Start, daß es für uns das gefährlichste war, wenn ein Mann über Bord fiel. Wir konnten nicht wenden und gegen den Wind segeln, jedenfalls vorläufig nicht, bei unserer fehlenden Erfahrung. Selbst ein guter Schwimmer könnte uns in den Wellen nicht einholen. Zwischen den Beinen der Brücke hatten wir achtern eine Kiste mit einem Rettungsboot aus Schaumstoff für sechs Personen festgezurrt, aber es war nur für den äußersten Notfall gedacht und konnte nicht zu Wasser gelassen werden, ohne daß wir die ganze Brücke zersägten. Zu diesem Zweck hing eine Axt bereit. Aber selbst wenn dieses viereckige Rettungsfloß zu Wasser gelassen würde, könnte es auch die Ra nicht einholen - wir würden auseinandertreiben. Also, Regel Nummer eins: Halte dich an Bord. Bewege dich niemals von einer Stelle zur anderen, ohne dein Tauende mitzuführen, mit dem du dich einpicken kannst. Carlo Mauri hatte jedem ein zwei Meter langes Tau mit einem Karabinerhaken beschafft, wie ihn die Alpinisten verwenden, um am Berg nicht abzustürzen. Wir trugen diese Leine immer um den Leib, um uns an Tauzurrungen, Pardunen oder Holzwerk auf der Brücke festzuhaken, sobald wir uns außerhalb der Hütte bewegten.
    Ich bestand bis zur Lächerlichkeit auf dieser Regel, bei jedem Wetter, und berichtete von Herman Watzinger, der nur gerade noch von Knut Haugland geborgen wurde, als er über Bord der Kon-Tiki ging. Der Meistertaucher Georges und der Zentralafrikaner Abdullah begriffen nur schwer, daß es nicht genügte, sich nur festzuzurren, wenn sie allein Nachtwache hatten oder wenn sie achtern auf dem Querbaum über Bord hingen, um ihre Notdurft zu verrichten. Als Georges fühlte, wieviel es mir bedeutete, nahm er sich schließlich den Befehl zu Herzen. Aber Abdullah ertappte ich noch am zweiten Tag fröhlich singend auf der äußersten Papyrusrolle, das Rettungstau wie einen Schwanz im Schlepp. Ich packte ihn am Arm.
    »Abdullah!« rief ich. »Dieses Wasser ist größer als ganz Afrika und tausendmal so tief wie der Tschadsee, wo Georges bis auf den Grund tauchen kann.«
    »Ah oui« , sagte Abdullah beeindruckt.
    »Und es wimmelt von Fischen, die Menschen fressen, und sie sind größer als Krokodile und schwimmen doppelt so schnell.«
    »Ah oui« , wiederholte der gelehrige Abdullah, der allem Neuen aufgeschlossen war.
    »Aber begreifst du denn nicht, wenn du ins Wasser fällst, ertrinkst du, wirst du aufgefressen, wirst du nie Amerika sehen!«
    Ein großes, väterliches Lächeln breitete sich über Abdullahs Gesicht, und freundschaftlich legte er seine große Hand auf meine Schulter.
    »Das kannst du nicht verstehen«, sagte er. »Schau hier!«
    Er zog seinen dicken Pullover hoch und entblößte einen prallen schwarzen Bauch, um den er eine dicke Schnur gebunden hatte, und von ihr hingen vier kleine Lederbeutel über die Lenden hinab.
    »Damit kann mir nichts passieren«, versicherte er. Er hatte die Lederbeutel von seinem Vater bekommen, und ein Medizinmann aus dem Tschad hatte sie gefüllt. Nach anderen zu schließen, die auf dem Marktplatz in Bol feilgeboten wurden, enthielten sie Leopardenkrallen, gefärbte Steinchen, Samen und getrocknete Pflanzenstückchen. Abdullah zog geheimnisvoll den Pullover wieder hinunter und nickte triumphierend. Ob ich nun beruhigt wäre? Abdullah könnte absolut nichts geschehen. Aber um mir eine Freude zu bereiten, willigte er auch darin ein, sich festzubinden.
    Abdullah bekam seinen ersten Schock, als er frühmorgens herbeistürzte und mir anvertraute, man habe Salz ins Wasser geschüttet. In das ganze Wasser. Wie war das passiert? Ich war auch ernstlich erschrocken und wollte wissen, welche Krüge er ausprobiert hätte. »Keinen Krug, dort!« rief Abdullah erschüttert und zeigte über Bord. Er hatte nicht geahnt, daß das Meer salzig war. Als ich ihm erklärte, es sei den ganzen Weg von Afrika bis Amerika salzig, machte er große Augen und fragte, wie denn all das teuere Salz ins Wasser gekommen sei. Nachdem er sich die geologische Erklärung angehört hatte, zeigte er

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