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Expedition Ra - Mit dem Sonnenboot in die Vergangenheit

Titel: Expedition Ra - Mit dem Sonnenboot in die Vergangenheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thor Heyerdahl
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Korbhütte vertraut zu machen, die Papyrusbündel mit merkwürdigem Knarren und Schreien zu übertönen.
    Die ersten vierundzwanzig Stunden auf der Ra lagen hinter uns.

8
Die afrikanische Küste entlang
bis Kap Juby.
In einem Vogelnest auf das Meer
    K IKERIKI! E S ROCH NACH FRISCHEM H EU . I CH WAR AUF EINEM B AUERNHOF . Nein, ich war ganz und gar nicht auf einem Bauernhof; ich lag hilflos auf einer schwankenden Bahre. Ich erwachte in einem Schlafsack, hörte unter mir Wasser plätschern und direkt an meinem Ohr Wellen schäumen. Gewiß - ich war auf einem Boot. Ich öffnete die Augen einen Spalt weit und sah durch die Ritzen einer Bambuswand direkt vor meiner Nase graublaue Wellen. Ich war auf der Ra\ Der ländliche Duft entstammte den Matratzen, die mit frischem Heu gefüllt waren.
    Kikeriki! Nun hörte ich es hellwach wieder und kroch erschrocken auf allen vieren zu der Öffnung in der Bambuswand, um nach vorn zu sehen; wir mußten dicht vor der Küste treiben und im Begriff stehen, auf Land zu laufen. Draußen sah ich nur schäumende Brecher, so weit das Auge reichte, aber direkt vor mir war die Sicht von dem burgunderroten Segel versperrt — ein gespannter Bogen, der uns über die Wasseroberfläche schnellte. Im Wellenrauschen vor dem Segel hörte ich wildes Gackern und wieder einen deutlichen Hahnenschrei. Natürlich, es war ja nur unser eigenes Federvieh in dem großen Hühnerkäfig auf dem Vorderdeck! Erleichtert kroch ich in Unterhosen hinaus. Die Luft draußen war eiskalt, und Juri saß wie ein Eskimo eingemummt auf der Brücke und machte Notizen.
    Wir mußten weit aufs Meer getrieben sein, denn es wehte ein kalter Nordwind; wild schäumende Wellen warfen sich drei bis vier Meter über die Wellentäler, und selbst von der Mastspitze zeigte sich der Horizont,
    die Trennungslinie zwischen Himmel und Meer, in allen Richtungen des Kompasses nur als ständig schwankende Fieberkurve.
    »Wo sind wir?« fragte Juri.
    »Hier«, antwortete ich und schielte zum Navigator in die Hütte. Er lag wie bewußtlos da; durch seinen Körper jagten Pillen und Bazillen. Nur er konnte mit einem Sextanten umgehen. Ich konnte nur auf einem Floß treiben. Weiß der Teufel, wo wir waren. Hier kam es darauf an, einen dicken Pullover und wetterfeste Kleidung anzuziehen. Ein seltsam komisches Pfeifsignal durchschnitt das Knarren und Wellenrauschen von dem engen Durchgang zwischen Segel und der Vorderwand der Hütte. Carlo streckte seine rotwangige bärtige Visage hinter der Bambuswand hervor.
    »Frühstück! Warmer Karkade-Tee a la Nofretete, und Tut-anch-Amons Hartbrot mit Honig!«
    In der Hütte wachte Abdullah auf und schüttelte seinen afrikanischen Nachbarn Georges wach. Hungrig scharten wir uns um Carlo, der auf dem Dach des Hühnerkäfigs ein Frühstück aufgetischt hatte, und jeder suchte sich einen großen Krug, einen Kartoffelsack oder einen wassergefüllten Ziegenlederbehälter zum Sitzen. Wir würden uns schon auf Deck einrichten und es uns allmählich gemütlich machen, wenn wir nur erst den Steuermechanismus in Ordnung hatten.
    »Wo sind wir?« fragte Georges.
    »Hier«, antwortete Juri; er war mit zwei Tassen warmen Karkades auf dem Weg zu den Patienten.
    »Afrika liegt noch immer dort«, fügte ich hinzu und schwenkte die Hand nach Backbord. »Willst du noch etwas wissen?«
    »Ja«, sagte Georges. »Wie haben die Alten in der Vorzeit ihre Position auf dem Meer bestimmt, wenn sie weder Sextant noch Kompaß besaßen?«
    »Osten und Westen konnten sie nach der Sonne bestimmen«, erklärte Carlo, »Norden und Süden nach dem Polarstern und dem Kreuz des Südens.«
    »Und den Breitengrad konnten sie feststellen, indem sie den Winkel vom Horizont zum Polarstern maßen«, fügte ich hinzu. »Er steht immer neunzig Grad zum Nordpol und vom Äquator aus gesehen ganz unten am Horizont. Wenn du auf sechzig Grad Nord bist, steht der Polarstern sechzig Grad über dem Horizont, und wenn du auf zweiunddreißig Grad bist, steht er auf zweiunddreißig. Wenn du den Polarstern siehst, kannst du direkt ablesen, auf welchem Breitengrad du bist. Den Längengrad konnten die Phönizier, Polynesier und Wikinger nur annähernd schätzen, indem sie die Entfernung nach ihrer eigenen Geschwindigkeit ausrechneten, aber ohne Land in Sicht bedeutete dann die unsichtbare Meeresströmung immer einen Unsicherheitsfaktor.«
    Zu Hause hatte Georges im Kairoer Museum die mehrere tausend Jahre alten Instrumente gesehen, mit denen seine Landsleute die Winkel

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