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Expedition Ra - Mit dem Sonnenboot in die Vergangenheit

Titel: Expedition Ra - Mit dem Sonnenboot in die Vergangenheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thor Heyerdahl
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Segel jetzt zu fieren; dann würde es wie ein Drachen über die See verschwinden. Wir mußten das Boot wieder auf Kurs bringen, teils indem wir das Segel, teils indem wir den Rumpf drehten. Der Riese Georges stützte sich auf den Papyrus,- der achtern wie ein Schwanz emporstieg, und mußte mit einem ganz gewöhnlichen Paddel das Heck der Ra gegen den Wind rudern. Ein schirmförmiger Treibanker aus Segeltuch wurde an einer langen Leine über Bord geworfen; nichts würde die Geschwindigkeit wirkungsvoller herabsetzen und den Achtersteven nach hinten drehen. Auf der Brücke sah ich, wie die Kompaßnadel sich langsam bewegte. Gleichzeitig kämpfte ich verzweifelt darum, nicht von einer Schot über Bord gezogen zu werden, die mich hinüberzerrte und wie eine Peitsche um sich schlug, als ich sie an der Brückenseite anbinden wollte und dabei aufpaßte, ob unsere kleine Mannschaft festgebunden war und so verteilt stand, daß sie an den richtigen Enden ziehen würde. Durch die Windstöße brüllte ich Carlo auf italienisch zu, Juri auf englisch, Abdullah auf französisch und Georges auf englisch, französisch, italienisch, wie es kam; aber in Wahrheit kannte ich die Namen der Enden, an denen ich sie ziehen ließ, nicht einmal in meiner Muttersprache, so daß im Laufe des Tages meine Bewunderung für das Auffassungsvermögen dieser internationalen Mannschaft von Landratten ins Unermeßliche stieg.
    Als wir das kostbare Segel geborgen hatten, als die Schoten befestigt, alle unsere normalen Steuerruder wie indianische Guaras vorn und achtern an der Schiffsseite festgebunden waren und wir den Treibanker wieder eingezogen hatten, lag alles so friedlich wie zuvor da. Wir schöpften etwas Atem, und ich versuchte, einige Stichwörter einzuüben, die alle verstanden, wenn es in ähnlichen Situationen auf jede Sekunde ankam. Durch die Ritzen der Bambusstäbe hörten wir zwischen heftigen Sturmböen bruchstückhaft gute Ratschläge, die uns der fiebernde Norman mit schwacher Stimme erteilte. Er hatte im voraus sein Äußerstes getan, uns anderen englische Seemannsausdrücke beizubringen, wenn es darum ging, das Fall, mit dem das Segel gehißt wurde, die Brassen an beiden Enden der langen Rah, unter der das Segel hing, oder die unteren Schothörner des Segels steuerbord und badkbord dichtzuholen, aufzufieren oder loszulassen. Aber weil drei der diensttuenden Männer entweder wenig oder gar kein Englisch verstanden, erwies sich jetzt in der Praxis, daß es immer ein Glücksspiel war, was geschah, wenn man Juri oder Carlo zurief: »Pull in star-board tack!« oder Abdullah befahl: »Let go port side sheet!«
    Kaum saßen wir fünf keuchend, aber siegesfroh auf der Brücke und versuchten, einige kurze praktische Ausdrücke nach der Methode Esperanto auszuklügeln, als es im Großsegel wieder gefährlich zu knattern begann, und selbst als diesmal alle blitzschnell ihren Posten einnahmen, schafften es Segel und Rumpf, sich noch einmal zu drehen. Das wiederholte sich immerzu. Wir trieben auf demselben Kurs weiter, aber halb seitlich oder mit dem Achterende voran, und Segel und Rah gerieten in irrsinnige Stellungen. Schließlich gelang es uns immer, das Segel in den Wind zu drehen und somit die Rah zu retten, aber manchmal gelang es nur, indem wir das Segel zur falschen Seite drehten. Wenn wir es um den Backbordmast statt um den Steuerbordmast drehten, segelten wir von allein beinahe im rechten Winkel zu dem Kurs, der uns von Land wegführte. Dann steuerten wir in langen, unerträglich langen Zwischenräumen mit vollem Segel direkt auf die afrikanische Küste zu, während wir bei unseren Bemühungen, wieder auf den richtigen Kurs zu kommen, ruderten, an Tampen zogen, uns mit dem Treibanker abmühten und in der wilden See versuchten, die Steuerruder nach Art der Guaras in anderen Stellungen festzubinden. Aber ohne die großen Steuerruder wollte das Boot absolut keine Zwischenstellung einnehmen. Das Segel schickte das Boot entweder direkt nach Südost oder direkt nach Südwest. Jedesmal, wenn uns ein wilder Windstoß drehte, so daß unsere Spitze stur nach Südosten zeigte, kam die unsichtbare afrikanische Küste immer näher. Carlo hielt sich ständig in der heftig schwankenden Mastspitze auf, sah aber glücklicherweise nicht das geringste Anzeichen von Land. Nichtsdestoweniger wußten wir, daß die Küste südlich von Safî eine Einbuchtung aufwies und sich weiter unten wieder ins Meer wölbte. Kaum hatten wir das Segel in einer Richtung in

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