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Expedition Ra - Mit dem Sonnenboot in die Vergangenheit

Titel: Expedition Ra - Mit dem Sonnenboot in die Vergangenheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thor Heyerdahl
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eine bessere Mahlzeit zu suchen. Santiago, elender denn je zuvor, lag mit seinem kleinen Verzeichnis unbeweglich in der Hütte und rief die Nummern der Krüge aus, die Wasser, Datteln, Eier, Oliven oder Mais für die Hühner enthielten. Ich nahm das Schnitzmesser, um ein Instrument herzustellen, das uns den Breitengrad angeben könnte. Da konnte sich Norman nicht länger beherrschen.
    »Jungs, es klappt ja«, stöhnte er. »Aber nicht für die anderen zu Hause. Wir hatten versprochen, gestern zu senden. Wir müssen ihnen sagen, daß alles okay ist, sonst glauben sie, wir sind untergegangen.«
    Juri war einverstanden und half dem fiebernden Norman, die Matratze wegzurollen, damit sie den losen Kistendeckel unter seinen Beinen entfernen und den kleinen Notrufsender mit eingebautem, handbetriebenem Generator hervorholen konnten. Kurz darauf antwortete Radio Saft deutlich auf Normans Rufe und erfuhr, daß uns beide Ruder gebrochen waren und wir ohne Schwierigkeiten weiter über den Atlantik trieben. Er gab auch durch, daß wir in der kommenden Zeit nicht regelmäßig Verbindung aufnehmen würden, weil das Ruder mit der Erdungsplatte gebrochen an Deck lag. Wenn wir sie über Bord in das schäumende Kielwasser werfen würden, könnte sie uns Taue und Papyrus zerschneiden. Norman war so schwach, daß er in den Schlafsack zurücksank, als Juri das Funkgerät verstaute und Carlo mit einem warmen Getränk hereinkroch.
    Georges fing keinen Fisch, aber er kam mit einer Idee in die Hütte. Warum das Segel nicht reffen? Selbst der kleinste Fetzen Tuch würde uns bei diesem Wind helfen, schneller voranzukommen. Das Segel war so genäht, daß wir ein oder zwei Drittel einrollen und festzurren konnten und so bei zu starkem Wind nur den obersten Streifen des Segels aufzuziehen brauchten. Ich fand die Idee gut, und Norman nickte schwach. Wir fünf krochen wieder an Deck, gestärkt von einem kräftigen Steinzeitimbiß, bestehend aus gesalzener Wurst und frischem Gemüse, und nach unendlichen Anstrengungen gelang es uns, die schwere Rah mit dem wassergefüllten Segel an Bord hereinzuholen, so daß es quer über die Ra ausgebreitet lag und dadurch an jeder Seite einen Meter über die Wellen ragte. Bei einer Windstärke zwischen steifer Brise und kleinem Sturm war es schwierig, das Segel zu reffen, aber wir schafften es durch gemeinsame Anstrengungen, weil wir uns darauflegten, während wir es über dem Hühnerkäfig und anderer Ladung glätteten und alsdann zu einem Drittel der Segelfläche zusammenrollten. Unser Triumph war groß, als sich dieser schmale Segelstreifen an der Mastspitze im Wind entfaltete. Wir hatten den Treibanker an Bord gezogen und die kleinen Ruder an ihrem Platz festgebunden; so sausten wir auf den Wellenkämmen nach Südwesten und jubelten über den neuen Sieg über die Elemente.
    Fünfzehn Minuten vergingen - es war am frühen Nachmittag des zweiten Tages auf dem Meere -, als erneut eine Sturmbö das Segel bedrohte. Wir stürzten uns wie ein Mann an die Schoten, als wir den ersten Schlag der schweren, nassen Segelrolle hörten, die jetzt an der Mastspitze hing und die steife Rahstange mit Hammerschlägen gegen den Mast warf. Der nächste Schlag klang wie ein Notschrei aus der Mastspitze, und es schnitt uns ins Herz, als wir hörten, wie sich der Schlag in ein furchtbares Krachen und Knacken verwandelte, das uns durch Mark und Bein ging. Wir starrten hinauf und erlebten, wie die ganze unentbehrliche Rahstange, die das Segel gespannt hielt, sich links und rechts von der Mitte langsam herunterbog, während das Segel wie eine Fledermaus zusammenschrumpfte, die ihre Flügel zusammenfaltet. Spitze Stachel von gebrochenem Holz ragten wie Krallen aus der Rahstange heraus. Wir mußten das Ganze fieren, damit das Segel nicht in Fetzen ging. Dies war der zweite Tag auf dem Meer.
    Kaum lag der Kadaver aus gebrochener Rah und Segel als Haufen an Deck, da wurde die Ra wieder freundlich, da schlängelten sich unsere magischen Schilfrollen in unsere Richtung weiter und trugen uns wie eine gezähmte Seeschlange auf ihrem Rücken.
    »Da seht ihr es«, sagte Carlo und kroch vergnügt ins Bett.
    Abdullah begab sich eilig nach achtern und wusch sich vor dem nächsten Gebet zu Allah bis zu den Knien und Ellbogen. Juri lachte gepreßt und hockte sich mit Shagpfeife und Tagebuch in die Türöffnung, und ich setzte setzte mich mit meiner Schnitzarbeit neben ihn.
    »Habt ihr alles kontrolliert?« fragte Santiago, die Nase vorsichtig aus dem

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