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Expedition Ra - Mit dem Sonnenboot in die Vergangenheit

Titel: Expedition Ra - Mit dem Sonnenboot in die Vergangenheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thor Heyerdahl
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Schlafsack steckend.
    »Alles!« antworteten wir im Chor. »Alles. Jetzt ist alles gebrochen, was brechen kann. Jetzt ist nur noch der Papyrus übrig.«
    Der Rest des Nachmittags verlief in der Hütte friedlich, und draußen heulte der Sturm. Wir hatten den ganzen Tag kein Schiff gesehen, aber wir verteilten die Nachtwache zwischen uns, da wir mitten in der Küsten-ansteuerung vor Afrika lagen. Wir waren ständig in der Mastspitze und hielten nach Lichtern vom Land Ausschau. Das einzige, wovor wir uns fürchteten, war eine Kollision mit Schiffen und den lebensgefährlichen Felsen an Land.
    Um 0.30 Uhr wurde ich von Carlo wachgerüttelt. Er beugte sich mit einer Paraffinlampe in der Hand über mich. Mit großen ängstlichen Augen flüsterte er, daß vorn an Backbord der Horizont voller Lichter sei. Wir trieben halb seitwärts mit kräftigem Nordwestwind direkt in diese Richtung. Ich lag vollständig angezogen da und brauchte nur die Sicherheitsleine umzubinden, ehe ich an Deck stürzte. Draußen wehte ein kalter, mäßig starker Wind, der Himmel war bewölkt. In der rabenschwarzen Nacht sah ich die Lichter am Horizont verteilt, sie lagen vor uns in Fahrtrichtung, wie Carlo gesagt hatte. Vier waren sehr stark, ein fünftes schwach. Das mußte die marokkanische Küste sein. Carlo saß in der schwankenden Mastspitze. Wir schienen uns rasch zu nähern. Die drei anderen ausgeschlafenen Männer mußten aufstehen. Jetzt mußten wir versuchen, unsere Schilffähre zu rudern, um uns vor einer Tragödie an den Felsen zu bewahren. Da glaubten Carlo und ich, ein grünes Licht zu erkennen — noch eines und ein rotes dazu. Das war kein Land! Eine auseinandergezogene Flotte von großen Fischerbooten kam direkt auf uns zugefahren! Die Männer krochen blaugefroren wieder ins Bett. Kurz darauf tuckerten drei große, schlingernde Fahrzeuge dicht an unserem Bug vorbei. Ein viertes kehrte uns die Breitseite zu, nachdem es die Maschine gestoppt hatte, so daß die Ra direkt auf die tanzende Schiffsseite zutrieb. Ich leuchtete mit der Lampe an die Hüttenwand und die Papyrusrollen und signalisierte: »Ra O. K., Ra O. K.« Der große Hochseefischkutter ließ wieder die Maschine an und glitt so spät fort, daß wir knapp einer Kollision entgingen. Er morste von der Mastspitze einige unverständliche Signale und verschwand allmählich in der Dunkelheit.
    Georges übernahm wie eine ägyptische Mumie in Ölzeug und Wolldecken gehüllt die Wache, und ich kroch ins Bett. Selbst die heiseren Schreie von hunderttausend mit Reepen zusammengebundenen Schilfrohren konnten nicht das unbekümmerte Summen des Nilsohnes übertönen, das der Wind von achtern direkt durch die dünne geflochtene Korbwand trug, die einzige Trennwand zwischen unserer gemütlichen Höhle und dem Chaos dort draußen.
    Als es dämmerte, war der Himmel immer noch bewölkt. Der dritte Tag an Bord. Der Wind wehte weniger heftig, aber die See war rauher denn je zuvor. Zufrieden stellten wir fest, daß die wild wogenden Wellen uns nur hochhoben. Das Meer trug uns auf ausgestrecktem Arm wie einen Ball vorwärts, und selbst dem hinterhältigsten Brecher gelang es nicht, das Deck zu überfluten. Die ganze Ladung war trocken. Ohne Ruder, ohne Segel, ohne Sextant und ohne Kenntnis unserer Position, ohne Land in Sicht, war der dritte Tag ein ruhiger Tag, an dem wir das eine Steuerruder schienen und das Mittelstück eines langen Reservebaumes verstärken konnten, der die gebrochene Rahe ersetzen sollte.
    Abdullah war dabei, seinen glattrasierten Kopf zum Gebet zu waschen, als er innehielt und einen heiseren Protestschrei ausstieß. Das Meer sei überhaupt nicht mehr sauber! Jemand habe seine Notdurft darin verrichtet, und er habe es sich auf den Kopf geschmiert. In Abdullahs Segeltucheimer schwammen große und kleine schwarze Klumpen. Wir blickten über Bord. Hunderte von ähnlichen Klumpen trieben an uns vorbei. Zu beiden Seiten schwammen sie; weiche, asphaltähnliche Klumpen - eine Stunde später immer noch. Es mußte Abfall von einem Tanker sein. Wir hielten von der Mastspitze nach dem Schuldigen Ausschau, sahen aber kein Schiff, und trotzdem trieben den ganzen Tag schwarze Klumpen im Meer. Am späten Nachmittag fuhren wir an einem großen Mondfisch vorbei, der an der Oberfläche faulenzte, und später bekamen wir Besuch von etwa hundert Delphinen, die sich plötzlich um uns herum tummelten, in heiterem Spiel senkrecht aus den Wellen sprangen und Abdullah unbeschreiblich erfreuten, bis sie

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