Exponentialdrift - Exponentialdrift
erschrocken die Luft an. Hatte sie ein Geräusch gemacht? Endlose Sekunden verstrichen.
Dann ging über ihr der Kistendeckel auf.
Fortsetzung folgt ...
22. Januar 2002
Das Bundesverfassungsgericht sagt die für Anfang Februar angesetzte mündliche Verhandlung über das NPD-Verbotsverfahren ab, als bekannt wird, daß einer der vorgeladenen NPD-Vertreter ein V-Mann des Verfassungsschutzes ist.
24. Januar 2002
Papst Johannes Paul II. lädt Vertreter von zwölf Weltreligionen zu einem Friedensgebet in die mittelitalienische Stadt Assisi.
FOLGE 18
A NNA EISENHARDT! WAS hast du in meiner Manuskriptkiste zu suchen?« Sie duckte sich unter dem mächtig ungehaltenen Blick ihres Vaters, wagte aber doch ein Lächeln, das ihn hoffentlich besänftigen würde. »Und wo sind die Manuskripte, anbei gefragt?«
»Die habe ich in mein Zimmer getragen«, gestand Anna leise. »Heute vormittag, während ihr einkaufen wart. Ich hab’ sie auch ganz genau so geordnet, wie sie waren.«
»Das wird sich zeigen, sobald du sie heute abend zurückgeräumt hast. Und jetzt marsch raus da, junge Dame.«
»Ich wollte doch bloß mal hören, was ihr immer so Geheimes zu besprechen habt«, maulte Anna, während sie sich umständlich aus ihrer unbequemen Lage in der alten Truhe befreite, die einst Urgroßmutter gehört hatte.
»Das ist mir klar, du Spionin aus Leidenschaft«, meinte Vater grimmig und stützte ihren Arm, weil er sich einfach nicht daran gewöhnen wollte, daß sie schon acht war und auf sich selber aufpassen konnte! »Und, zu welchem Schluß bist du gekommen?«
»Ihr seid Verschwörer!« erklärte Anna und sah in die Runde. Da saßen sie, die alten Schulfreunde ihres Vaters – Lutz, Wolfgang und Yves –, und amüsierten sich köstlich. Jeder von ihnen hatte ein dünnes Manuskript auf dem Schoß liegen. »Ich hab’s genau gehört.«
»Das kommt davon, wenn man Schriftsteller belauscht.« Vater wies auf die Manuskripte. »Wir haben eine Dialogstelle aus meinem nächsten Roman mit verteilten Rollen gelesen, damit ich hören kann, wie sie klingt. Und gleich hältstdu uns für Verschwörer. Ist dir jetzt klar, warum wir so was lieber hinter verschlossenen Türen machen?«
Anna ließ enttäuscht die Schultern sinken. »Ach so.« Schade. Es hatte wirklich aufregend echt geklungen!
Wolfgang Krentz beobachtete die Auseinandersetzung zwischen Peter und seiner Tochter mit einer Mischung aus Amüsement und Entsetzen. »Habe ich dir schon einmal gesagt, daß ich deine Geistesgegenwart bewundere?« fragte er, als Anna maulend abgezogen und die Doppeltür wieder sicher verriegelt war.
Mit grimmigem Gesicht sammelte ihr Gastgeber die Papierstapel wieder ein, die er vorhin, gleich nach dem kollektiven Beinahe-Herzinfarkt, den die plötzlichen Rumpelgeräusche aus der Truhe ihnen beschert hatten, hastig ausgeteilt hatte. »Sie ist ein Mädchen und erst acht, aber sie hat schon alle James-Bond-Filme gesehen, die es auf Video gibt. Was heißt gesehen – sie kann sie auswendig herbeten. Wenn ich so eine Figur in einem Roman brächte, würde jeder sagen, ›an den Haaren herbeigezogen‹.« Er stopfte die Blätter zurück in ein überquellendes Ablagefach. »Da muß man auf alles gefaßt sein.«
»Dann sollten wir wirklich schnellstens handeln. Solange deine Antispionagemaßnahmen den Aktivitäten deiner Tochter noch einen Schritt voraus sind. Außerdem wächst die Zahl der Radioteleskope, die so groß sind, daß wir sie berücksichtigen müssen. Das Attacama Large Millimeter Array in Chile wird 2009 fertig. Noch ein Projekt wie das Argus in Ohio kann uns das Genick brechen. Und wenn die Chinesen ihre geplante Fünfhundertmeter-Schüssel bauen, ist es vorbei. Da kommen wir nie ran.«
Yves nickte. »Wolfgang hat recht. Es ist schon eine ständige Kugelfuhr, mit den Russen in Kontakt zu bleiben. Unsererussische Tochterfirma schreibt Zahlen, die sind so rot wie die alte Sowjetfahne.«
Lutz, das Programmiergenie der Firma, die er zusammen mit Yves Lehmann gegründet hatte, fuhr sich wild mit der Hand durch den Bart. »Genau. Abgesehen von der Schlappe mit Abel ist jetzt der ideale Zeitpunkt. Vor fünf Jahren war unser Plan riskant, weil die Computersysteme inhomogen waren und nicht so undurchschaubar kompliziert wie heute. Auf der anderen Seite nimmt das Bewußtsein für die Sicherheitslücken des Internet ständig zu und die Anstrengungen, sie zu schließen, auch. Ich schätze, in spätestens zwei Jahren sind unsere gegenwärtigen
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