Exponentialdrift - Exponentialdrift
Zugriffswege geschlossen.«
»Also gut«, meinte Peter. »Ziehen wir es durch. Irgendwelche Vorschläge, wann?«
Eine Pause entstand. »Schwere Entscheidung«, fand Wolfgang. »Immerhin wird der Tag in die Geschichtsbücher eingehen. Wie der elfte September.«
Yves holte tief Luft. »Das ist ja mal ein Vergleich ... Es sollte jedenfalls ein Datum sein, das irgendwie gut klingt.«
Peter lächelte. »Könnt ihr euch noch erinnern, wann wir die Idee ausgebrütet haben?«
»Klar«, meinte Lutz. »Warte mal ... Wir waren vierzehn, fünfzehn, so was. Es war im Sommer. Wir sind bei dir zu Hause gehockt, genau wie heute. Haben herumgesponnen, und irgendwann war der Geistesblitz da.«
»Es war kurz vor der Fußballweltmeisterschaft, daran erinnere ich mich«, warf Yves ein. »Deutschland – Holland. Beckenbauer gegen Cruyff. 1974. Aber das hat euch damals alles nicht interessiert.«
»Tut es immer noch nicht«, grummelte Lutz.
Peter Eisenhardt fischte einen Zettel aus dem Sammelsurium auf seinem Schreibtisch. »Ich habe in meinen Tagebüchern geblättert. Es war am dritten Juni. Ein Montag, genau wie dieses Jahr.« Er sah in die Runde. »Freunde, das heißt,wir haben diesen Plan nicht nur gefaßt, sondern ihn auch achtundzwanzig Jahre lang hartnäckig verfolgt. Ich sage, wenn wir es uns aussuchen können, laßt uns den Jahrestag nehmen. Laßt uns den 3. Juni 2002 als den Tag festlegen, an dem wir die Welt für immer verändern.«
Fortsetzung folgt ...
28. Januar 2002
Die Kinderbuchautorin Astrid Lindgren stirbt im Alter von 94 Jahren in Stockholm.
29. Januar 2002
In einer Rede zur Lage der Nation bezeichnet der amerikanische Präsident George W. Bush die Staaten Iran, Irak und Nordkorea als »Achse des Bösen«.
2. Februar 2002
Der niederländische Kronprinz Willem Alexander und seine Verlobte Máxima Zorreguieta heiraten in Amsterdam.
FOLGE 19
W OLFGANG KRENTZ ZÜCKTE seinen Terminkalender und wollte beim 3. Juni eine Notiz eintragen, bemerkte aber die fragenden Blicke und hielt inne. »Wahrscheinlich besser nichts aufschreiben, oder?«
Die anderen nickten im Gleichtakt. Wie in alten Zeiten.
»Besonders du nicht«, sagte Peter.
»Entbehrt nicht einer gewissen Logik.« Er steckte den Kalender weg. »Aber was machen wir mit Abel?«
Lutz fing an, sich heftig die Nasenwurzel zu massieren. »Ich kann diesen Namen nicht mehr hören.«
»Ich würde sagen, daß sein unerwartetes Erwachen nicht die Katastrophe ist, für die wir es gehalten haben«, meinte Yves. »Wenn es stimmt, was du erzählt hast ...«
»Selbstverständlich tut es das«, sagte Wolfgang.
»... dann hat sich offenbar alles, was Abel vor seinem Schlaganfall über uns herausgefunden hat, durch sein Koma in eine Wahnvorstellung verwandelt, die ihn jetzt voll im Griff hat. Wie auch immer so etwas passieren kann, ich kenne mich da nicht aus. Aber ich denke, das ist die einzig plausible Erklärung dafür, daß er sich plötzlich ausgerechnet für einen Außerirdischen hält.«
Für mich war Abels Erwachen sehr wohl eine Katastrophe , dachte Wolfgang. »Mit anderen Worten, wir kümmern uns nicht mehr um ihn.«
»Ganz genau«, sagte Lutz inbrünstig.
Wolfgang Krentz verzog das Gesicht. Die alte Rivalität der Programmierer , dachte er.Mitte Januar 2002 machte eine Nachricht Schlagzeilen, die nicht wenige zuerst für Satire hielten: Der von der Bundesregierung und den Ländern beim Verfassungsgericht eingebrachte Antrag auf Verbot der NPD drohte daran zu scheitern, daß ein wichtiger Belastungszeuge sich als langjähriger V-Mann des Verfassungsschutzes entpuppt hatte.
Bernhard Abel fand diese Wendung der Ereignisse überaus faszinierend, ohne daß er zunächst hätte sagen können, warum eigentlich. Aber er kaufte noch mehr Zeitungen als sonst und bemühte sich, keine Nachrichtensendung zu verpassen, obwohl alle dasselbe berichteten.
»Ich bin auch eine Art V-Mann«, erkannte er plötzlich, gerade als Wolf von Lojewski im heute-Journal mit einem ehemaligen Chef des Verfassungsschutzes die Frage diskutierte, ob die rechte Szene wohl in sich zusammenbrechen würde, wenn man sämtliche V-Leute daraus abzöge und keine Spitzel mehr bezahlte – was der Verfassungsschützer vehement verneinte. »Deshalb beschäftigt mich das so. Ich bin V-Mann einer außerirdischen Macht.«
Evelyn gab nur eine Art Grunzlaut von sich, der alles bedeuten konnte oder nichts. In den letzten Wochen hatte sie die Gewohnheit entwickelt, mit einem Glas Rotwein auf der Couch zu
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