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Export A

Export A

Titel: Export A Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Kränzler
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Spüren kann ich nichts.
    »Lass mich nur kurz die Flasche abstellen –«
    »Speak English, Lis’!«
    Die Zunge hat sich wieder selbstständig gemacht ⁠…
    Schnell zurück ins Nasse! Die Haut, der Bauch, der Hals, alles, alles brennt. Ist das der Lake of Fire?
    Ich tauche durch die Flammen, brauche keine Luft. Feuerwasser ist mein Element. Die warme Tiefe ist mein Zuhause. Hier unten will ich bleiben. Wer braucht schon Luft, wer will schon atmen?
    Aufdringliche Arme angeln nach mir, Finger haken sich fest. Jemand zieht meinen Kopf an Land, lässt meinen Protest nicht gelten, will, dass ich atme. Ich lege meine Stirn an eine Schulter und begrüße das Schwarz hinter meinen Lidern.
    Das nächste Bild ist grau. Graues Schließfachmetall. Messer schieben sich in meine Schläfen wie in einen Weidenkorb. Zwischen den Stichen streife ich vorsichtig meine Kleidungsstücke über.
    Ich finde kein Handtuch. Die Jeans klebt, von den Haaren tropft es in die Kapuze wie in eine Regentonne.
    Draußen wartet Charlie. Josh nimmt mich an der Hand und zieht mich zum Auto. Wir werfen uns auf die Rücksitze, acht schlaffe Körper verschlafen kreuz und quer übereinanderliegend die Heimfahrt.
    Die lange Wartezeit vor den Hotsprings scheint Charlie etwas ausgenüchtert zu haben. Er will uns so schnell wie möglich loswerden. Zu diesem Zwecke überwindet er sich sogar, auszusteigen und die Türen zu öffnen. Fluchend packt er mit an und zieht den völlig weggetretenen Graham an den Armen aus dem Wagen.
    Mir muss er nicht helfen. Der Kopfschmerz hat mich längst aufgescheucht.
    Jordan hebt zum Abschied die Hand und steigt auf den Beifahrersitz. Die entleerte Limousine rollt weiter Richtung Downtown. Wir anderen kriechen angeschlagen hügelabwärts. Es dämmert bereits, das Mintgrün des Hauses keimt zu unseren Füßen auf. Das letzte, was in dieser Nacht zu mir durchdringt, ist der vertraute Geruch von Schaumgummi.

Geld (1)
    Was weiß ich darüber zu sagen? Es hatte weder damals noch heute eine Bedeutung für mich.
    Für denjenigen, der hart dafür arbeiten muss, und dennoch wenig davon besitzt, für denjenigen, der von mehr träumt, der materielle Dinge zu schätzen weiß, für den, der ehrfürchtig zu den Statussymbolen unserer Gesellschaft aufschaut, für Arbeitslose, Insolvente, Gierige und Geizige, für Besorgte, die Notgroschen zurücklegen, für Menschen mit Bedürfnissen nach Eigenheimen und Weltreisen, für – ach, die Liste ließe sich endlos fortführen.
    Diese Liste ist überflüssig, unnötig und in ihrer starken Verein­fachung obendrein ziemlich unverschämt. Was für eine Anmaßung, Menschen mit ein paar läppischen Adjektiven, achtlos vergebenen Stempeln, zu versehen und zu behaupten, man kenne ihre Motive, wüsste genau, welche Melodie sie zum Klimpern der Münzen und Rascheln der Scheine summen.
    Wer eine Aussage über Geld, oder besser: über den Wert des ­Geldes machen will, sieht sich genötigt, in Klischees zu verfallen. Begriffe wie »Gerechtigkeit« und »Ungerechtigkeit«, sowie klebrige humanistische, ja selbst humanitäre Gedanken tauchen auf, Vorstellungen von Weltverbesserern und Möchtegern-Robin-Hoods. Bevor man solcherlei Denkgeschwüre nicht mit einem möglichst scharfen Löffel aus den Hirnwindungen geschnitten hat, sollte man keinesfalls fortfahren. Eine weitere Grundregel lautet: keine Einzelfälle und bloß keine Details!
    Indifferent wie der Geldschein, den es nicht kümmert, ob er die Zwangsprostituierte oder den Wocheneinkauf einer Großfamilie bezahlt, muss man sein. Ich setze also ein oberlehrerhaftes Gesicht auf und behaupte, dass Geld vor allem eines ist: geprägte Freiheit.
    Mit gleicher Miene fahre ich fort zu berichten, dass ich von dieser Art der Freiheit zur Genüge gekostet und sie bereits im zarten Alter von 16 Jahren satt hatte.
    Geprägt von einem reichen Elternhaus, gelangweilt und gleichgültig gegenüber den Freiheiten, die mir meine Herkunft erlaubten, landete ich in Kanada.
    Schon als Kind wusste ich nichts mit meinen Privilegien anzufangen. Wunschlisten für Geburtstage und Osterfeste aufzustellen, empfand ich als lästige Pflicht. Ich hatte und bekam alles, ohne es mir gewünscht oder darum gebeten zu haben. Geschenkhaufen unter glitzernden Bäumen, überquellende Nester und Briefumschläge, tausenderlei materielle Dinge, die mir allesamt bedeutungslos und leer vorkamen und die mich niemals überraschten.
    Lauter Kram, dem es an Lebendigkeit fehlte, der nicht lachen oder

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