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Export A

Export A

Titel: Export A Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Kränzler
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Nichts faucht. Ebenso wie seien Beutetiere verteilt er auch die Exkremente großzügig über beide Stockwerke, worunter besonders Blake zu leiden hat, dessen Schlafsack unter der Treppe schließlich zum bevorzugten Katzenklo geworden ist. Ich erinnere mich lebhaft an einen mit Katzenscheiße verschmierten Blake, der Sabbath unter Gewaltandrohungen und Verwünschungen durch die Zimmer jagt.
    Schnell gewöhnte ich mir an, mein Zimmer nur noch auf Zehenspitzen zu betreten. Regelmäßige Kontrollgänge, rabiates Aufscheuchen und strafende Hiebe mit Handtüchern waren die einzigen Mittel gegen Sabbaths Einschleichen bzw. Einscheißen. Verdammte schwarze Pest!
    Einzig der leuchtende Schleier, der Sabbaths Augen überzog, gefiel mir. Das Leuchten, Beweis für eine magische Schicht in seinen Augen, das zurückgespiegelte Licht und die unbestimmbaren, zwischen Kupfer, Gold und Grün changierenden Farben faszinierten mich. Egal ob high oder betrunken, high und betrunken oder nüchtern, stundenlang konnte ich in diese Leuchtpunkte starren und zusehen, wie die schlitzförmigen Pupillen bei abnehmender Helligkeit kreisrund wurden, zwei schwarze Monde, die ihre Phasen im Zeitraffer durchlaufen.
    Ich weiß nicht, was aus Sabbath geworden ist. Eines Morgens hatte er diese Wunde, ein Loch unter dem Kinn, als hätte ihm jemand einen Luftröhrenschnitt verpasst. Mit beeindruckender Lässigkeit präsentierte er seine Verletzung, blutete nicht, klagte nicht, verbat sich mitleidiges Gestreichel.
    Er schien fest dazu entschlossen, den rosafarbenen, täglich weiter aufklaffenden Riss zu ignorieren, und lebte stur weiter.
    Dann verlor sich seine Spur. Die Erinnerung an ihn endet mit dem Loch in seinem Hals.
    Sein Selbstheilungsversuch war wohl, sich in den Wald, aus dem er einst gekommen war, zurückzuziehen. Er kehrte heim in die Wildnis.

24.
    Motorengeräusche im Hof. Jordan kommt! Gleich muss er an der Tür sein! Hektisch werden Krümel unters Sofa gefegt und Abfälle zusammengeklaubt, jemand hängt die Jacken an die Garderobenhaken. Ein kollektiver Ruck, ein Sichaufraffen und Zusammenreißen geht durchs Haus. Das Chaos wird notdürftig kaschiert, man bemüht sich um einen ernsten Gesichtsausdruck. Keiner will sich eine Rüge einfangen. Nicht von Jordan, dem Chef, dem Spielleiter. Da kommt er, unser aller Croupier, Autorität und Selbstsicherheit bis in die Haarspitzen. Frisch geduscht, glattrasiert und makellos, als wäre er eben erst dem neusten Abercrombie & Fitch-Katalog entstiegen, schwebt er über unsere schäbige Schwelle. Die Tarnkappe aus höflicher Gelassenheit passt ihm wie angegossen, er hat sein Verhalten absolut unter Kontrolle. Auch nach dem Konsum diverser stimulierender Substanzen funktioniert seine Feinmotorik einwandfrei. Er bewahrt sich seine Eleganz in jeder Lebenslage. Dieser junge Mann mit dem tadellosen Äußeren, den niemand je über Geld sprechen hört, ist unser Dealer.
    So weit, so perfekt – wäre da nicht dieser kleine Makel, ein Versagen, das ihm von Jahr zu Jahr mehr zu schaffen macht.
    Jordan hat den Absprung nicht geschafft, ist hängengeblieben, ist nicht aufs College gegangen, nicht weggezogen. Er ist in Whitehorse geblieben, ist 19, 20, 21 geworden und treibt sich noch immer mit Highschool-Kids herum. Die meisten seines Jahrgangs sind längst ausgeflogen und lassen sich, von den halbjährlichen Höflichkeitsbesuchen bei den Eltern einmal abgesehen, nicht mehr im Yukon blicken. Jordan dagegen begegnet seiner Mutter nach wie vor jeden Morgen am Frühstückstisch.
    Das nagt an ihm, frisst sich durch seinen Lack, breitet sich auf seiner schönen, blonden, blauäugigen, athletisch gebauten Oberfläche aus wie Rost. Er hasst diese Flecken, bekämpft diesen hartnäckigen Makel nach Kräften. Manchmal, wenn er sich unbeobachtet fühlt, zeugt seine Miene von der permanenten Anstrengung, die das Aufrechterhalten der Fassade erfordert. Müdigkeit und Trauer bemächtigen sich seiner Glieder, Angst vor Versagen krümmt seinen Rücken, die Sorge um seinen schwindsüchtigen Glanz trübt seinen Blick, er gestattet sich einen Augenblick lang Schwäche. Sonst bleibt er diszipliniert, wickelt zügig die Deals ab und verschwindet. Nur selten raucht er mit.
    In Porter Creek wird sein Name bis heute mit einer gewissen Ehrfurcht ausgesprochen. Man lässt das Feuer langsam ausgehen, respektiert die Glut seiner ruhmreichen Highschool-Vergangenheit. Dass er so verbissen gegen das Verglühen seines Namens ankämpft, schadet

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