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Export A

Export A

Titel: Export A Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Kränzler
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kleiner Schlitten auf drei Kufen. Standardmodelle bestehen aus zwei Seitenskiern (links und rechts), einem Plastiksitz (oberhalb und zwischen den Seitenskiern gelegen) und einem, mit dem Lenkrad verbundenen Frontski. Die einzelnen Elemente werden von einem Metallrahmen zusammengehalten. Im Ganzen sind die Schlitten etwa 120 cm lang, 50 cm hoch und wiegen um die 10 Kilo.
    Ich verscheuche die sehnsüchtigen Gedanken an meinen federleichten, kirschroten Plastikbob, zwinge mich zu Optimismus und Tapferkeit und hieve mir die Last auf den Buckel.
    Josh führt unseren Fußtrupp an. Wir stoßen in stilles, bewaldetes Gebiet vor. Mit der rechten Hand umklammere ich den Metallrahmen, die Linke wehrt die Peitschenhiebe der Fichtenzweige ab. Bereits nach wenigen Hundert Metern verschwindet der schmale Pfad zwischen den Stämmen. Der Wald wirft eine Decke aus Dickicht über meinen Vordermann. Zweige verschränken sich und schließen mich aus, andere stechen feindselig auf mich ein. Der bläulich-weißlich schimmernde Schneesumpf reicht mir bis zu den Oberschenkeln, ich komme kaum noch vorwärts. Kälte und Anstieg verbrennen Lungen und Oberschenkel. Der Berg kennt kein Erbarmen. Unsere fünf Mann starke Infanterie fällt auf die Knie, wir krabbeln von einem Plateau aufs nächste, schneenass, schweißnass.
    Ich bin in einen Wettlauf der Eitelkeiten geraten. Vor und hinter mir keucht es aus vier kampflustigen Kehlen, denen ihr Testosteron die Sporen gibt. Gnadenlos wird das Marschtempo erhöht. Mein Körper mobilisiert alle Adrenalinreserven. Dann sind wir oben. Wir sind tatsächlich oben! Ich ramme den GT in den Schnee, ein Gipfelkreuz aus Metall und Plastik, schließe die Augen und lasse Erleichterung und Dankbarkeit durch meine Glieder fließen, bevor ich mich den abgekämpften Gesichtern der Jungs zuwende. Kein Fünkchen Vorfreude erhellt die Mienen. Die bevorstehende Abfahrt scheint eine weitere Schlacht zu sein, die es zu schlagen gilt. Wortlos wirft sich der Erste auf den Schlitten und rast los, wir anderen hintendrein.
    Ich stürze mich senkrecht zwischen die Bäume und versuche, dem schwarzen Etwas, dem fliehenden Fleck, der vielleicht Bernie, vielleicht Josh ist, zu folgen, bemühe mich, in der Spur, oder vielmehr in irgendeiner Spur zu bleiben. Der Fahrtwind reißt an meinem Gesicht, meine Hände reißen am Lenkrad. Die Bremse ist nur zur Zierde. Ich akzeptiere die mörderische Geschwindigkeit, die steigende Wahrscheinlichkeit einer Kollision mit dem nächsten Baum und den drohenden Schädelbasisbruch. Anhalten ist unmöglich. Der Berg hat uns abgefeuert, hat fünfmal auf seinen Fuß gezielt. Wir schießen weiter abwärts, Fleischpatronen auf Kufen. Die Abstände zwischen uns werden größer. Plötzlich ist von den anderen nichts mehr zu sehen und zu hören. Ich bin verloren, denkt die Panik in mir, endgültig verloren!
    Endlich beruhigt sich der Berg und flacht ab. Vor mir entdecke ich Grahams Silhouette zwischen den Bäumen. Weitere vertraute Schatten mit müde hängenden Schultern tauchen auf. Die Abfahrt hat uns den Schweiß getrocknet, jetzt wird es kalt. Als wir uns dem Van nähern hat sich der Frost längst in uns hineingefressen, überzieht die Muskeln, hinterlässt Eisblumen auf den Lungenflügeln. Beim Anblick des Deep Purple ahne ich es bereits ⁠… Irgendwie steht er schief. Ich hoffe auf eine optische Täuschung. Vergebens. Declan hat den Wagen in den Straßengraben hinein geparkt. Die rechte Seite steckt in den Untiefen der hohen Schneeschichten fest. Fluchend machen wir uns an die Ausgrabungsarbeiten, stöhnen, schieben und hieven ihn mit unseren letzten vereinten Kräften frei. Eine kleine Welle Hoffnung schwappt durch die Gruppe, das Ende der Tortur scheint in Sicht. Wir steigen ins Auto.
    Declan tritt die Kupplung und dreht am Zündschlüssel.
    Nichts. Nicht das leiseste Geräusch. Kein Stottern, kein Surren, kein Rumpeln, kein gar nichts! Ratlose Gesichter, aufgebrachtes Rätselraten, verzweifelte Wut.
    »Maybe it’s the battery ⁠…«
    »No way, the battery is fine.«
    »Could be the engine ⁠…«
    »What the fuck is wrong with this car?«
    »Why would I know? I’m not a fucking mechanic!«
    »Fuck, fuck, fuck!«
    Es bleibt dabei: Das verdammte lilafarbene Teil will nicht anspringen und ihm lässt sich kein Motorengeräusch entlocken.
    Alles nur wegen Declan und seinem verschissenen Van!
    Im Stillen verfluche ich die O’Donovans und all ihre Nach­kommen.
    Es bleibt uns nichts anderes übrig,

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