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Export A

Export A

Titel: Export A Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Kränzler
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und Leder steigt mir in die Nase. Was jetzt?
    Kyle bewegt sich.
    »Tyler? Tyler! Come on! What are you waiting for?«
    Inzwischen kniet Kyle auf allen Vieren im Schnee. Langsam hebt er den Kopf. Unsere Blicke treffen sich. Er erkennt mich.
    Voller Hass zischelt er meinen Namen. Das Sprechen scheint ihm schwerzufallen. Er hält sich die Rippen. Aus seinen Mundwinkeln rinnt Blut.
    »What a slut you are!«
    Seine Stimme ist kaum wiederzuerkennen.
    Ich wende mich Tyler zu. Er wirkt abwesend, vollkommen unbeteiligt. Wie ein Statist, dessen Szene bereits im Kasten ist. Ich spüre meinen Kopf heiß werden.
    »So you’re sucking some indian dick now, eh? Does he get to fuck you, too? Does he fuck you in his truck?«
    Mein Herz überschlägt sich und lässt meinen Körper bis in die Fingerspitzen pulsieren. Ich vergesse mein Englisch.
    »Halt’s Maul!«
    Kyle versteht mich nicht.
    »Does he get a thank-you-fuck now, ’cause he beat me up?«
    Mein Mund ist trocken. Die Bronchien stehen weit offen. Ich atme.
    »God, what a slut you are! I should have fucked you even harder, you fucking cunt!«
    Am Baseballschläger ballt sich meine Rechte zur Faust. Ein Impuls fährt durch helle Fasern, Bündel und Sehnen, bis tief hinab in meine Knochen. Der Schläger wird zur Verlängerung meines Armes.
    Ich wende mich ab und spüre, wie ich aushole.
    Mein Rumpf verwringt sich, dehnt Brust, Schulter und Arm. Ich bin ein gespannter Bogen. Mein Körper fließt.
    Der Schläger überholt mich.
    Die linke Hand ist die letzte Perle in der Bewegungskette. Sie hebt sich und stabilisiert den Griff der rechten.
    Holz und Hände rasen auf Kyles Scheitel zu. Der Aufprall ruckt durch meine Wirbel, als sein Schädel den Bremsweg verkürzt.
    Ich spüre ein Splittern, ein Nachgeben. Die Wucht des Schlages lässt Zellen platzen. Blutgefäße reißen. Knochen brechen.
    Jemand schreit mit meiner Stimme.
    »WER FICKT JETZT WEN ?!«
    Kyles Arme knicken ein. Sein Gesicht fällt in den Schnee.
    »ICH HÖR DICH NICHT !«, schreit es aus meinem Hals.
    Ich hole erneut aus, bin ein einziges Zucken, kontrahiere unkontrolliert. Ungekannte Kräfte reißen an meinen Armen. Abermals kracht der Schläger in den Schopf.
    »WER?« Ich hole aus. »FICKT!« Ich schlage zu. »WEN ?« Ich hole aus.
    Der Schnee macht mich blind. Der Schläger ist mein Auge, er findet seinen Weg.
    Jemand packt meine Schultern. Umklammert mich von hinten. Es ist Tyler. Ich hatte ihn vergessen.
    Er hält mich, spricht auf mich ein, nimmt mir den Schläger aus der Hand. Ich gebe das Holz frei. Im selben Moment ebbt das Beben in mir ab. Spannung und Kraft weichen von mir.
    Regungslos stehe ich da und starre auf den erschlafften Körper unter mir, aus dem dunkle Flüssigkeit ins Weiß sickert.
    Tyler zerrt mich zum Truck. Meine Beine gehorchen nicht, Knie knicken bei jedem Schritt. Tyler startet den Motor und schleicht durch das Schneegestöber Richtung Highway.
    Nichts als Dunkelheit und Flocken.
    Im Schritttempo nähern wir uns dem »Copper King«.
    Mein Kopf ist leer. Wie eine Marionette sacke ich auf dem Sofa zusammen. Umständlich zerrt Tyler an meinen Klamotten.
    Er trägt meine Jacke ins Badezimmer, tastet nach dem Lichtschalter und flucht. Kein Licht im Bad.
    Nur die Glühbirne in der Küche leuchtet auf. Ich blinzle.
    Erst jetzt sehe ich die Blutspritzer auf meinen Schuhen und Hosen­beinen. Augenblicklich bin ich wach, hellwach.
    Hastig streife ich Schuhe und Jeans ab. Das Blut hat den rechten Schuh durchdrungen und den Socken befleckt.
    Ich lasse beide Spülbecken mit eiskaltem Wasser volllaufen und schrubbe, bis ich meine Hände nicht mehr spüre.
    Tyler hat sich inzwischen umgezogen. Er stopft seine Kleider und meine Schuhe in einen Sack und verschwindet wortlos.
    Als er zurückkommt, riecht er nach Benzin.
    In dieser Nacht muss ich nicht nach Hause laufen.
    Es dämmert bereits, als ich mich in der Maple Street auf mein Bett fallen lasse. Mein Fensterviereck leuchtet strahlend weiß.
    Porter Creek liegt ganz still. Begraben unter gut 50 Zentimetern Neuschnee.

40.
    Der »Whitehorse Star« liegt aufgeschlagen auf dem Küchentisch. Die Zeilen springen mir ins Gesicht, zerkratzen meine Augen. Sie machen es endgültig wahr:
    Death of a young Man
    »… found dead in the snow on Centennial Street (Porter Creek) … has been ruled a homicide. Eighteen-year-old Kyle Cruthers was found by a snowplow driver early tuesday morning … according to the medical examiner’s report, Cruthers died of

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