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Export A

Export A

Titel: Export A Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Kränzler
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Mutter, mal wie –
    Sie lacht und verhöhnt ihn und redet auf ihn ein, will ihn leiden und platzen sehen. Er hat es nicht besser verdient, es ist seine Schuld. Seine Schuld und seine Schwäche, und beides muss beseitigt werden. Zerfressen, verdaut und ausgeschissen von rachsüchtigen, roten ­Tierchen ⁠…
    Ich bin inzwischen beim Z angelangt. Z. Shot.
    Tylers Hand sucht vergeblich in der Kiste herum.
    Mein Name schwimmt. Schwimmt in einer Flüssigkeit, die in mir hochsteigt. Das Versiegen des Eiernachschubs hat Tylers Rhythmus unterbrochen. Er bemerkt, dass meine Augen nass sind. Erschrocken rückt er näher, wuschelt mir durch die Haare, als wäre ich fünf.
    »Hey ⁠… What’s wrong Dizzy-Lizzy?«
    Im Versuch, meine Augen am Überlaufen zu hindern, lege ich den Kopf in den Nacken.
    »It’s just so fucked up ⁠…«
    »What?«
    »My life.«
    »Oh, come on, Lizzy, you’re young, you –«
    »Ah, shut up! Don’t give me that bullshit! What’s that supposed to mean, ›you’re young‹!? It doesn’t change a thing! If you fuck up, you fuck up. Doesn’t matter if you’re 16 or 30 ⁠…«
    Ich lege das Gesicht in beide Hände. Tylers Linke zerzaust hilflos meinen Hinterkopf.
    Dumpf nuschle ich in die Handschale.
    »I can’t even go to the Supermarket anymore.«
    »Why is that?«
    »There is this guy ⁠… he ⁠… I don’t know ⁠… He’s a fucking asshole … You know the ›Super A‹ up in Porter Creek? He started working there a couple of weeks ago ⁠…«
    »I don’t get it ⁠… I mean, you don’t have to talk to him, do you?
    You could ask for the store manager ⁠… make a complaint, get him fired! Or break some eggs, drop a bottle, let him clean up the isle ⁠…⁠«
    Ich springe auf, schnappe nach meinem Glas, wanke die Wand entlang.
    »You don’t get it!« Ich leere das Glas. »You just don’t get it!!«
    Ich hole aus. Das Glas verlässt meine Hand. Es klirrt. Tyler starrt auf die Splitter zu seinen Füßen.
    »What did he do?«
    »Ah, fuck it, I don’t wanna talk about it.«
    »No, Lizzy, tell me. What did he do?«
    »Why would you care? I’m ›young‹, I’ve got my ›whole life‹ ahead of me, don’t I? Whatever happens, happens, so fuck it!«
    »You know I didn’t mean it like that.«
    Stehen ist zu anstrengend, Gehen eine Unmöglichkeit. Ich lasse mich wieder aufs Sofa fallen. Schweigend sehen wir einander an.
    »Did he ⁠…?«
    Ich hätte nicht nicken dürfen.

38.
    Ich hätte das Paket mit der vertrauten Buchstabenkombination unter den Arm klemmen, mich verabschieden und auf den Weg in die Maple Street machen sollen. Ich hätte gehen sollen. Einfach gehen.
    Stattdessen bin ich aufgeplatzt, habe mein Maul aufgerissen. Wie ein Sack, der zu viel trägt.
    Vielleicht war es das plötzliche Bewusstsein meiner Einsamkeit, das mich erschreckt hat. Vielleicht war ich wütend auf Tyler, der sich vollständig in sein eigenes Leid einspann und mir kaum Aufmerksamkeit schenkte, mich nicht ablenkte.
    Das verdammte Sofa hatte sich wie ein brauner, plüschiger Tintenfischarm an mir festgesaugt und mir meine Bewegungsfreiheit genommen. Aufstehen, Sich-verabschieden, Gehen – alles viel zu beschwerlich. Die Reste meiner Willenskraft waren in die Polsterritzen getropft.
    Nicht nur das Sofa, mein ganzes, verpfuschtes Leben klebte an mir. Ich wollte mich frei machen, ablösen, mich vor dem Versinken in diesem sündhaften, gottlosen Morast bewahren. Ich wollte beichten. Mich mit Hilfe eines scharfkantigen Bekenntnisses heraus­stechen. Meine Verbindung zu der schuldhaften Vergangenheit kappen. Ich wollte raus, nichts wie raus.
    Und ja, wahrscheinlich fühlte ich mich, nachdem Tyler sein komplettes Seelenleben vor mir ausgebreitet und sich zu all seinen Lastern bekannt hatte, gewissermaßen verpflichtet. »Du zeigst mir deins, ich zeig dir meins« ⁠…
    Als ich vom Sofa aufstand und das Glas warf, hatte ich, trotz meines besoffenen Kopfs, längst bemerkt, wie sehr mich das anwiderte. Ich warf das Glas aus einem Gefühl von hilflosem Ekel.
    Tylers tragisches Schicksal und die Art, wie er damit hausieren ging, kotzten mich an.
    Der Schnaps, die Handschrift meiner Mutter, Tylers Fress- und Beichtorgie, die verdammte Ereignislosigkeit in diesem dunklen Kasten, das vollkommene Fehlen jeder Geborgenheit und die Sehnsucht, die Sehnsucht nach einem Zuhause, das nicht mehr existierte – all das hatte mich in die Enge und in Tylers Nähe getrieben. Sie packte mich am Kopf und ließ mich

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