Extra scha(r)f
aufzulösen. Gleich darauf bleiben alle wieder stehen, weil in diesem Moment einer der Türsteher das Foyer betritt.
Was kommt denn jetzt?
Er ruft mit lauter Stimme: »Gibt es hier eine Thaglotta? Draußen steht ein Mann, der mit Thaglotta sprechen möchte. Er sagt, es ist dringend.«
Ich zucke zusammen und schließe die Augen, weil ich genau weiß, was als Nächstes kommt.
»Hallo, meine Herz, Überraschung! Ich doch nicht will verpassen deine große Auftritt heute vor die Fernsehen! Schau, ich habe dir mitgebracht frische Obst von die Markt.«
Bitte, lieber Gott, alles, nur das nicht, nicht das auch noch.
Ich mache die Augen wieder auf. Mein Vater steht vor mir und streckt mir eine Kiste mit Riesenananas entgegen. Drei Jahre lang habe ich darauf gewartet, dass er wenigstens einmal Interesse für meine Arbeit zeigt, aber nun, da es so weit ist, möchte ich ungefähr zum fünfzigsten Mal an diesem Vormittag tot umfallen.
»Geht das klar?«, fragt der Türsteher. »Sie kennen ihn?«
»Natürlich sie mich kennt, Idiot«, entgegnet mein Vater. »Ist meine Tochter.«
Ich schenke dem Türsteher ein lahmes Nicken - oh ja, und ob mir dieser Mann bekannt ist.
Dad strahlt über das ganze Gesicht. Allerdings blickt er weder mich an noch die Tänzer noch sonst jemanden aus dem nach wie vor versammelten Publikum, sondern die Kamera, die auf ihn schwenkt, als wäre endlich der eigentliche Star der Show eingetroffen. »Okee, wo ich soll hinstellen die Kiste?«, fragt er in die Kamera. Plötzlich erblickt er Sasha, die seit ihrer durchschlagenden Ansage eben wie angewurzelt dasteht. Sie macht ein völlig verdattertes Gesicht, und ich weiß nicht, was sie mehr schockiert - die üblen Machenschaften ihres Lovers oder der Umstand, dass sie sich gerade besser Gehör verschaffen konnte als ich, die Studiomanagerin.
»Heilige Maria, Jesus und Josef«, stößt Dad hervor. »Sashou kann gehen wieder. Sie steht auf ihre eigene Beine, ohne zu fallen um. Eine Wunder!«
Was soll ich sagen?
Im Ernst, was soll ich sagen?
Dads Begeisterung wird von Julie vom Mission Management unterbrochen, die in diesem Moment ins Foyer stürmt und direkt auf mich zusteuert. »Sie schulden mir eine Erklärung, junge Dame«, fährt sie mich an, als sie bei mir ist.
»Das war ein dummes Missgeschick«, erkläre ich mit brüchiger, zitternder Stimme.
»Genau, das war eine Missgeschick«, pflichtet Dad mir bei. Julies aggressiver Ton hat sofort seinen Beschützerinstinkt geweckt. Er hat zwar keinen Schimmer, wovon die Rede ist, aber das tut nichts zur Sache. Das Blut der Charalambouses ist viel dicker als Wasser - eher wie Sirup.
»Nun, dank Ihres kleinen Missgeschicks steht meine Sängerin am Rande eines Nerven ...«, Julie unterbricht sich, weil ihr in diesem Moment die Kamera auffällt. »Wir beide, Sie und ich, müssen uns ernsthaft unterhalten«, fährt sie dann fort. »Unter vier Augen. Es könnte auch nicht schaden, wenn Ihr Boss bei dem Gespräch dabei wäre. Ist er da?«
»Nein ... er hat ein Meeting außerhalb.«
»Nein, habe ich nicht. Ich bin hier.«
Ich drehe den Kopf und erblicke Jamie, mit seinem Aktenkoffer in der Hand und einem völlig entsetzten Gesichtsausdruck. Sein Blick huscht zwischen der Menschenansammlung und mir und Julie und der Kamera und Dads Ananas hin und her, während er verzweifelt versucht, sich einen Reim auf dieses unerwartete Chaos zu machen. »Was ist hier los?«, fragt er, wobei er sich tapfer bemüht, ruhig zu bleiben.
»Es gab da einen ... kleinen Zwischenfall«, erklärt Julie.
»Sehen Sie, Jamie, das war nur ein dummes Missgeschick«, plappere ich dazwischen, im Bewusstsein, dass das für Jamie nicht viel Sinn ergibt, jedoch ohne mich zurückhalten zu können. »Ich hatte keine Ahnung, dass das Video im ganzen Haus zu sehen ist.«
»Sie nicht hatte eine Ahnung. Es war eine Missgeschick«, spricht Dad mir wieder ahnungslos nach.
»Nun, ich denke, die Polizei wird sich bestimmt dafür interessieren, wie private Aufnahmen in die Öffentlichkeit gelangen konnten«, bemerkt Julie mit erhobener Stimme.
»Die Polizei?«, stoße ich entsetzt aus. »Aber ich habe nichts getan.«
»Sie nichts hat getan, bei Gott«, bestätigt Dad.
»Nichts getan?«, schreit Julie. »Ist Ihnen eigentlich klar, was für ein Schaden -«
Jamie hält beide Hände empor. »Ruhe!«
Schweigen breitet sich aus.
Er lässt den Blick schweifen, um sich ein Bild von der Situation zu machen. »Rebecca, führen Sie die junge Dame bitte
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