Extra scha(r)f
davonkommen, obwohl ich Jamie den größten PR-Albtraum in seinem ganzen Leben beschert habe?
»Es mag zwar verrückt klingen, Charlie, aber ich kann Sie gut leiden«, schreit er. (Wenn er mich doch so gut leiden kann, warum brüllt er mich dann an?) »Ist das zu fassen? Ich kann es selbst nicht glauben. Sie richten hier ein Wahnsinnschaos an, und ich kann Sie immer noch leiden ... Und außerdem bin ich immer noch davon überzeugt, dass Sie für diesen Job die Richtige sind. Hinzu kommt, dass ich Sie erst vor einer Woche zur Managerin befördert habe. Wenn ich Sie jetzt rausschmeiße, stehe ich wie ein verdammter Schwachkopf da.«
»Danke, Jamie«, flüstere ich, wobei ich mir den Hinweis verkneife, dass Velvet nach gerade einmal einem Tag ihre Kündigung bekommen wird, was Jamie in der Tat wie einen verdammten Schwachkopf aussehen lässt.
»Mit einem Danke ist es nicht getan. Von jetzt an gehört mir Ihre Seele. In den nächsten Monaten werden Sie sich für mich den Arsch aufreißen.« Er holt Luft. »Ich glaube, ich konnte die Angelegenheit mit Blaizes Managerin klären«, fügt er in ruhigerem Ton hinzu.
»Und wie?«, frage ich.
»Nun, Blaize würde uns am liebsten alle verklagen - Sie, mich, jeden hier -, aber ihre Managerin sieht das zum Glück etwas nüchterner. Sie will schließlich vermeiden, dass das Videoband als Beweisstück vor einem öffentlichen Gericht gezeigt wird. Jetzt muss ich nur noch Claire überreden, dass die heiklen Szenen herausgeschnitten werden, dann kann uns nichts mehr passieren. Ich gehe zwar davon aus, dass Blaize nie wieder bei uns proben wird, aber von ihrer Sorte gibt es an jeder Straßenecke eine. Nächster Monat wird bereits ihr letzter sein, und es werden sich zwei andere Blaizes um ihren Platz prügeln.«
Am liebsten würde ich Jamie um den Hals fallen und ihm sagen, wie großartig er ist, aber es scheint mir nicht der richtige Moment zu sein. Daher begnüge ich mich erneut mit einem gemurmelten »Danke«.
»Also, wir werden Folgendes tun«, sagt er. »Sie nehmen sich den restlichen Tag frei. Ich will nämlich den Kameraleuten nicht noch mehr Futter geben. Aber zuerst geben Sie mir das Videoband von Blaize. Ich habe ihrer Managerin versprochen, dass sie es unverzüglich erhält.«
»Okay, gut«, erwidere ich. »Es ist unten in meiner Tasche.«
»Und es gibt auch keine Kopien davon?«
Ich schüttle den Kopf und sage: »Aber in Karls Wohnung steht noch ein ganzer Karton mit Videos von Blaize - ich habe nur diese eine Kassette mitgenommen.«
»Das ist nicht unser Problem. Das müssen die mit dem Pornofilmer selbst klären. Gut möglich, dass diese kleine Diva ihn anzeigt. Die ist nämlich stinksauer und will sicher jemanden dafür bluten sehen. Okay, gehen wir nach unten.«
Im Foyer ist wieder Ruhe eingekehrt, und - hey, wer hätte das gedacht? - Daniel steht hinter der Theke. Ich werfe ihm meinen vernichtendsten Blick zu, und er zieht schuldbewusst den Kopf ein, weil er genau weiß, weshalb ich so eine Stinkwut auf ihn habe. Sasha steht neben ihm, mit verstörtem Gesicht. Sie hat immer noch ihre dicke Zone-Steppjacke an, mit der sie vorhin draußen war. Ihr muss darin unerträglich heiß sein, aber allem Anschein nach steht sie unter Schock. Ihre Brandrede vorhin muss ihre ganze Willenskraft verzehrt haben, sodass sie jetzt wie gelähmt ist.
Dennoch ringt sie sich ein Lächeln für mich ab, sodass ich sie am liebsten in den Arm nehmen würde. Aber das geht nicht, schließlich steht Jamie hinter mir. Also gehe ich hinter die Theke, beuge mich hinunter und ziehe meine Tasche hervor. Daniel weicht mit genauso ängstlichem Gesicht wie Sasha vor mir zurück. Er hat auch allen Grund dazu. Ich sage keinen Ton, er soll ruhig ein schlechtes Gewissen haben. Ich krame in meiner Tasche nach den Videokassetten: vier von Sasha, zwei von mir ...
Scheiße.
Mit einem Mal spüre ich, wie meine Magensäure hochsteigt, und mir wird furchtbar schlecht. Meine Knie fühlen sich ganz wacklig an, und ich kann mich nur mit größter Anstrengung auf den Beinen halten. Ich hebe meine Tasche hoch und leere sie auf der Theke aus. Makeup, Filofax, Handy, Schlüsselbund, mein ganzer privater Krempel verteilt sich über dem Marmor und über dem Boden, aber das ist mir egal. Es gibt im Moment nur eins, was wichtig ist. Ein ganz bestimmtes Videoband. Aber es ist nicht da. Ich sehe die Videos noch einmal durch. Und noch mal. Und noch ein drittes Mal. Vier Kassetten von Sasha.
Zwei von mir.
NULL VON
Weitere Kostenlose Bücher