Extra scha(r)f
Fernbedienung, die Daniel Rebecca anvertraute, bevor wir nach oben gingen. »Du brauchst nur auf diesen Knopf hier zu drücken, Herzchen« - das waren genau seine Worte. Würde man Rebecca zu einer sechsmonatigen Schulung schicken, um den Umgang mit der Fernbedienung zu üben, und sie danach auffordern, die anderen Fernseher auf Jamies abzustimmen, würde sie es garantiert nicht hinbekommen. Selbst dann nicht, wenn ihr verdammtes Leben davon abhinge.
Doch heute, als ihr Leben nicht davon abhing, als sie lediglich einen Knopf drücken sollte, da hat sie es mal eben gemacht.
»Was sagtest du, wie viele Fernseher gibt es im Gebäude?«, fragt Daniel, nachdem ich mit meiner Erklärung fertig bin.
»Dreiundvierzig.«
»Scheiße, fuck, Scheiße«, flucht er.
Ich weiß, was er meint.
»Wenigstens gibt es in Studio 4 keinen Fernseher. Blaize hat sicher nichts davon mitbekommen«, sagt er, sich verzweifelt an einen Strohhalm klammernd.
»Ja, aber was, wenn einer ihrer Tänzer mal pinkeln musste und dabei was mitbekommen hat? Egal, es wird sich ohnehin wie ein Lauffeuer im ganzen Studio verbreiten. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis es zu Blaize durchdringt.«
Daniel bleibt stumm, während sein Strohhalm im Wind davonflattert. Dann sagt er: »Meinst du, wir sollten wieder nach unten gehen?«
»Müssen wir denn?«, entgegne ich.
»Tja, wir können uns auch heimlich mit dem Fensterputzerkran abseilen, dann mit dem Taxi nach Heathrow fahren, den nächsten Flieger nach Rio besteigen, uns eine falsche Identität zulegen und uns über Wasser halten, indem wir unsere Körper an Sextouristen verkaufen ... Hattest du an so etwas gedacht?«
»Besser, wir gehen wieder nach unten.«
Ich gehe zu den Jalousien, mit denen Jamie die Welt ausblendet, und spähe durch die Lamellen auf den Flur hinaus. Es ist absolut ruhig, bis auf das gedämpfte Klaviergeklimper und Philips Stimme, die aus dem Ballettsaal dringen - »Nicht doch, nicht doch, nein, nein und nochmals nein! Ich sagte nach außen drehen, nicht nach innen! Was soll das sein? Ein Huhn auf einem Bein?« Ich nehme an, dass wenigstens Philip Blaizes Performance verpasst hat. Vielleicht hat es ja tatsächlich niemand bemerkt. Vielleicht war jeder so sehr damit beschäftigt, zu trainieren oder zu tanzen oder was auch immer, dass niemand gesehen hat, wie Englands derzeit populärste Sängerin sich den Verstand herausvögeln lässt. Und vielleicht hatten die Leute, die die Bilder der zwei Dutzend im Gebäude verteilten Kameras überwachen (ganz zu schweigen von den zwei oder drei Kameramännern im Haus), alle gleichzeitig einen dreiminütigen Niesanfall und haben es ebenfalls nicht gesehen.
Wie wahrscheinlich mag dieses Szenario wohl sein?
Das bisschen, in dem ich hoffe, dass alles ein gutes Ende nehmen wird
Während der Fahrstuhl abwärts fährt, rutscht mein Herz ebenfalls immer tiefer. Zwischen Daniel und mir fällt kein Wort - was sollen wir auch sagen? War nett, dich gekannt zu haben, vielleicht treffen wir uns mal bei der Jobvermittlung oder etwas in der Art? Wir erreichen das Erdgeschoss, die Tür gleitet auf und -
»Charlie, es tut mir wahnsinnig Leid.«
Vor mir steht Sasha, in einer dicken Zone-Steppjacke, und sie spricht tatsächlich mit mir.
»Ich war so blöd«, sprudelt es aus ihr heraus. »Ich hätte niemals so reagieren dürfen. Du hast dich wie eine wahre Freundin verhalten, und zum Dank führe ich mich so auf.«
Dann fällt sie mir um den Hals, wobei sie mich beinahe erwürgt und ich zudem unter ihrer dicken Jacke fast ersticke, aber dennoch habe ich Hoffnung. Hoffnung, dass ich mir vielleicht umsonst Sorgen gemacht habe. Denn wäre Blaizes Video im ganzen Haus zu sehen gewesen, würde Sasha jetzt sicher nicht hier stehen und sich mit mir versöhnen wollen, oder? Sasha hätte sofort geahnt, dass ich damit zu tun haben muss, und wäre jetzt nur noch ein heulendes Elend.
Ich spüre, dass mir die Tränen kommen. »Sasha, mir tut es Leid. Ich wollte dir nicht wehtun.«
»Hör bitte auf, dich zu entschuldigen. Ich bin eine halbe Stunde draußen herumgewandert, um mir das Herz zu fassen, dich anzusprechen, weil ...«
Ich sagte nichts von einem langen bisschen, oder?
Oh Gott. Sasha war gar nicht im Studio, sondern draußen. Mein Hoffnungsschimmer verglüht wieder.
»... mir klar geworden ist, dass dich keine Schuld trifft.« Sasha unterbricht sich, und ihr Blick wandert zur Empfangstheke. »Aber ich glaube, wir reden besser später weiter. Sieht nämlich so
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