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Extra scha(r)f

Extra scha(r)f

Titel: Extra scha(r)f Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maria Beaumont
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an.
    »Was?«, fragt sie begriffsstutzig, als hätte sie unser einziges Gesprächsthema während der Fahrt nach Hause komplett verdrängt.
    »Du weißt genau, was ich meine«, erwidere ich.
    »Was, Charlotte?«, fragt Mum.
    »Ja, was?«, stimmt Dad mit ein.
    Meine Eltern blicken mich erwartungsvoll an, aber ich starre meiner Schwester in die Augen, um sie zum Reden zu zwingen. Sie gehorcht nicht.
    »Dad, hör mir zu. Du wirst niemanden umbringen, weil dazu überhaupt kein Grund besteht. Hast du verstanden?«
    »Selbstverständlich gibt es keinen Grund, jemanden umzubringen. Gewalt ist niemals eine Antwort«, sagt Kofi Annan - ich meine Mum. »Jimmy, dein Verhalten ist einfach lächerlich. Wenn du mich fragst, hast du dir zu viele schlechte Soaps angeschaut -« (Hallo? Erde an Mutter?) »- Es ist zwar das Allerletzte, ein junges Mädchen derart auszunutzen, aber das ist noch lange kein Grund, durchzudrehen -«
    »Mum, lass mich ausreden. Ihr wisst nämlich noch nicht alles«, unterbreche ich sie. »Emily hat einen Fehler gemacht ... nicht wahr, Emily?« Ich lege eine Pause ein und sehe meine Schwester an, damit sie das Wort ergreifen kann, wie im Taxi abgesprochen (beziehungsweise wie ich beschlossen habe, während Emily mich derb beschimpft hat).
    »Ich habe keinen Fehler gemacht«, stößt sie hervor. »Das ist alles deine Schuld. Du hättest mich ja bitten können, das Ergebnis zu überprüfen, dann hätten wir jetzt nicht diesen Streit und Dad wäre nicht kurz vor einem Herzinfarkt.« (Dem er allem Anschein nach dieses Mal näher steht als letztens, aber das Thema will ich nicht vertiefen.)
    »Was, ich eine Infackt? Ich nicht habe eine Infackt. Du sagst jetzt sofort seine Name, oder ...«
    »Bitte, Dad, hör endlich auf damit. Okay, Emily, wenn du es ihnen nicht sagen willst, werde ich es tun. Also, Emily ist einfach zu blöd, um die einfachste Gebrauchs...«
    In diesem Moment explodiert Emily. Wie eine kleine irischzyprische Massenvernichtungswaffe geht sie auf mich los. Ich werde von diesem Angriff völlig überrascht, und als Nächstes weiß ich nur, dass Emily und ich uns wie Wrestler ineinander verhaken, nur ohne eingeölte Körper, ohne alberne Klamotten und ohne Ganzkörperbehaarung - obwohl Emily vielleicht so behaart ist.
    Ich will ehrlich sein: Wir kämpfen wie Frauen (was nahe liegend ist), mit an den Haaren ziehen und die Krallen ausfahren, das Ganze gewürzt mit schrillem Gekreische. Emily reißt an meinen Haaren und hält gleich darauf ein Viertel meiner künstlichen Strähnen in der Hand. Das bringt mich zum Ausrasten. Ich stürze mich auf sie, und wir fallen beide um. Wir wälzen uns über den Wohnzimmerteppich, wobei wir die Stehlampe umstoßen, die auf die Vase auf dem Couchtisch kippt, die wiederum verwelkte Narzissen und dreckiges Blumenwasser über die Zeitschriften vergießt. Mum stößt einen entsetzten Schrei aus, kein Wunder angesichts ihrer Töchter, die sich gerade gegenseitig in Stücke reißen. Aber ich habe mich geirrt. »Jimmy, schnell, das ganze Blumenwasser läuft über die Fernsehzeitschriften!«
    »Thegla, sofort du hörst auf!«, befiehlt er (glaube ich zumindest - man hört so schlecht, wenn man gerade unter dem Oberkörper der eigenen Schwester erstickt). Mum beugt sich zu uns herunter und zerrt an Emilys Schulter, aber meine Schwester ist noch nicht mit mir fertig und will nicht von mir ablassen. Folglich verpasst sie Mum mit beiden Händen einen Stoß vor den Bauch. Mum taumelt daraufhin rückwärts und stößt dabei gegen den Couchtisch. Dieser gibt nach und kippt um, und Mum landet in unvorteilhafter Haltung zwischen den vier in die Luft ragenden Tischbeinen.
    Das ist zu viel für Dad, dem wohl klar geworden ist, dass seine eigenen Mord- und Verstümmelungspläne gefährdet sind, wenn ihm seine Tochter mit dem Töten zuvorkommt. »Emily, sofort aufhören!«, brüllt er im Befehlston, der jedoch null Wirkung zeigt, da Emily ihn einfach ignoriert. Mit den Fäusten prügelt sie auf mich ein, während ich schützend die Arme vor mein Gesicht halte. Obwohl ich nichts sehen kann, spüre ich, dass Dad versucht, Emily hochzuzerren. Gleich darauf höre ich einen Schmerzensschrei, gefolgt von schweren, stolpernden Schritten, gefolgt von einem lauten Krachen, gefolgt von einem kurzen Knall.
    Stille.
    Da Emily nicht mehr auf mich eindrischt, nehme ich vorsichtig die Arme vom Gesicht. Meine Schwester sitzt nach wie vor auf mir, sieht mich jedoch nicht an. Stattdessen starrt sie zu Dad,

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