Extra scha(r)f
erblicke eine von den -oullas. »Meine Schwester kann leiden dich gut«, sagt sie und nickt in Maroullas Richtung, die gerade die Teller einsammelt. »Und Dino auch kann leiden dich gut.«
Ach ja? Wie kommt sie darauf, schließlich habe ich mich kaum mit ihm unterhalten?
»Du auch kannst leiden Dino gut?«, fragt sie neugierig.
Ich blicke zu Dinos mittlerweile verwaistem Stuhl - auch Emilys Platz ist leer - und sage: »Ja. Er ist wirklich ... äh ... groß.«
Daraufhin strahlt sie mich an, als hätte ich gesagt: Ich liebe ihn mit einer Leidenschaft, die ich selbst nicht für möglich gehalten hätte. Aber wer weiß, wie gut ihr Englisch ist. »Du kannst leiden Babys gut?«, horcht sie mich weiter aus.
»Ahm ... Nein, eigentlich nicht. Wenn ich ehrlich bin, ich kann Kinder nicht ausstehen.«
Was sie jedoch offenbar übersetzt mit: Oh ja, ich kann es gar nicht abwarten, ein Kind nach dem anderen aus mir herauszupressen, denn sie legt mir die Hand auf den Arm und entgegnet: »Gut, gut, Kinder sind wichtig in die Leben. Du bist wie alt?«
Ich kann ihr förmlich ansehen, dass sie bereits im Kopf überschlägt, wie es um meine Gebärfähigkeit bestellt ist. Als Nächstes erwartet sie wahrscheinlich von mir, dass ich mich zu einer gynäkologischen Untersuchung an Ort und Stelle bereit erkläre. Ich verspüre Übelkeit. Richtige Übelkeit. Es gäbe auch genügend Gründe, mich zu übergeben, nicht zuletzt weil ich genug Essen im Magen habe, um damit einen Tante-Emma-Laden auszustatten.
»Entschuldige mich bitte«, sage ich. Ich zwinge meine Beine, sich zu bewegen, und stemme mich vom Tisch hoch. Ich wanke aus dem Wohnzimmer und anschließend die Treppe hoch. Als ich oben ankomme, sehe ich die offene Badtür am anderen Ende des langen Gangs. Ich steuere darauf zu, bleibe jedoch stehen, als ich hinter einer der Schlafzimmertüren eine Stimme höre. Nicht irgendeine Stimme, sondern die von Emily, die offenbar nicht allein in dem Zimmer zu sein scheint. Sie sagt: »Ich glaube, wir gehen jetzt besser wieder nach unten.«
Wir? Mit wem redet sie da?
»Okay, geh du schon mal vor. Ich räume hier noch kurz auf ... Ich komme gleich nach«, vernehme ich Dinos Stimme.
Ganz richtig. Dinos.
Was zum -
Bevor ich irgendwie reagieren kann, öffnet sich die Tür, und meine Schwester und ich stehen uns gegenüber. Emily macht ein verdutztes Gesicht, als sie mich sieht, aber - das muss man ihr lassen - sie reißt sich sofort wieder zusammen und sagt: »Spionierst du mir nach, du dumme, alte Ziege?«
»Was hast du da drin gemacht?«, frage ich mit gespielter Empörung. In Wahrheit denke ich, prima, endlich habe ich etwas gegen diese kleine Ratte in der Hand.
»Nichts«, erwidert sie. »Ich hatte leichte Kopfschmerzen. Ich habe mich nur kurz ausgeruht, aber dank dir war das vergebens.«
»Du lügst«, zische ich sie an. So wie ich meine Schwester kenne, hat sie mit Dino auf Teufel komm raus geflirtet und offenbar auch gepunktet. Irgendwie ist es ihr gelungen, Dino nach oben zu lotsen. Sie soll bloß nicht glauben, dass mir nicht aufgefallen wäre, dass ihr knallroter Lippenstift, mit dem sie sich während der Fahrt vorhin ihre dicken Lippen anmalte, nicht mehr richtig deckt. Ich bin zwar keine Kriminalkommissarin, aber der verblasste Lippenstift ist ein eindeutiges Indiz dafür, was sich hinter dieser Tür abgespielt hat. Wie konnte dieser Dino nur? Schließlich ist Emily noch ein Kind.
Dino sitzt hinter Emily auf dem Bett und macht einen erstaunlich gelassenen Eindruck für einen Kinderschänder. »Was machen deine Kopfschmerzen, Emily?«, fragt er. »Normalerweise wirkt so eine Kopfmassage ziemlich schnell.«
Kopfmassage. Ich dachte immer, ich wäre die Königin im Ausreden erfinden, aber diese hier überrascht sogar mich. Während Emily Dino dümmlich anlächelt, weiß ich nicht, was ich davon halten soll. Soll ich mich freuen, weil ich jetzt aus dem Schneider bin - ich werde wohl kaum hinnehmen, dass mein Vater mich mit einem vermeintlich Pädophilen verheiratet -, oder soll ich mich ekeln, weil meine kleine Schwester von einem vermeintlich Pädophilen verführt wurde?
Emily zwängt sich an mir vorbei, sodass ich nun direkt auf Dino starre.
»Sie, äh, hatte Kopfschmerzen«, sagt er verlegen und steht vom Bett auf.
»Ah ja.«
»Hör zu, du darfst Emily keinen Vorwurf machen.«
»Weswegen?«, entgegne ich.
»Sie ... Weißt du, es steht mir nicht zu, dir das zu sagen. Am besten sprichst du selbst mit ihr. Sie ist deine
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