Extra scha(r)f
Wissen Sie was? Dafür könnte ich Emily fast küssen. Aber nur fast. Vielleicht genügt es auch, ihr auf die Schulter zu klopfen.
Gott allein weiß, worüber die beiden sich unterhalten. Dino bemerkt, dass ich ihn beobachte, und lächelt mir zu. Ich frage mich, weshalb er das durchsichtige Manöver seiner Eltern mitmacht, ihn wie in einer Blind-Date-Show mit einer Wildfremden zu verkuppeln. Hässlichkeit fällt als Grund aus. Also bleiben nur noch zwei Möglichkeiten übrig:
a) Er rafft es überhaupt nicht, weil er dumm wie Stroh ist. Sein Doktortitel? Wahrscheinlich billig erstanden von einer imaginären Universität in Texas oder so.
b) Er ist heimlich schwul.
Ich blicke deprimiert auf meinen Teller. Normalerweise genieße ich diese Festessen, da sie eine wichtige Rolle in meinem Familienleben spielen. Mag sein, dass ich nicht richtig hineinpasse, aber wenigstens sind alle immer sehr freundlich und großzügig zu mir. Und mein Vater kann wirklich lustig sein, wenn er in Form ist. Man braucht ihn nur mit Griechen zusammenzubringen, und schon zieht er sie durch den Kakao. (Und dann fragt er sich, von wem ich das habe?) Das war alles immer okay für mich, solange ich mein anderes Leben hatte, in das ich flüchten konnte. Im The Zone konnte ich jede Menge Spaß haben und ebenfalls jeden durch den Kakao ziehen. Wie gesagt, konnte. Seit meiner Beförderung habe ich dort auch nicht mehr viel zu lachen.
Ich blicke immer noch deprimiert auf meinen Teller, als mir auffällt, dass ich ihn gar nicht sehen kann. Er versteckt sich unter einem Berg von Essen. Eine der -oullas hat meine Proteste ignoriert und einen Mount Everest auf meinen Teller geschaufelt. Wo soll ich ansetzen, ohne eine Lawine auszulösen? Ich strecke die Hand vor und pflücke vorsichtig eine kleine schwarze Olive vom Gipfel. Während ich die Hand wieder zurückziehe, entspanne ich mich - der Berg hat nur ganz leicht gewackelt, ist jedoch nicht in meinen Schoß gekippt. Ich beiße die Hälfte von der Olive ab, als sich plötzlich ein Schweigen über die Tischgesellschaft senkt. Alle starren mich an.
»Was nicht stimmt?«, stößt Maroulla entsetzt hervor und starrt fassungslos auf das winzige Olivenstück, das ich noch zwischen den Fingern halte. »Dir nicht schmeckt meine Essen?... Ich gehe in Küche und koche dir eine andere Essen. Vielleicht Fisch von die Grill? Du bist eine Vegetarische? Du nur brauchst sagen eine Wort, und ich mache dir eine andere Essen.«
»Nein, das Essen ist köstlich«, widerspreche ich verlegen und nehme rasch Messer und Gabel in die Hand. Wenn ich mir nicht vorwerfen lassen möchte, an einer Essstörung zu leiden, muss ich wohl oder übel reinhauen. Ich stopfe mir den Mund mit Essen voll, bis ich einem menschlichen Hamster ähnle, und versuche zu kauen ... -
Der Nachmittag kann noch lang werden.
Ich. Kann mich. Nicht. Bewegen.
Um in kürzester Zeit total bewegungsunfähig zu sein, braucht man lediglich zehntausend Kalorien in weniger als einer Viertelstunde zu sich zu nehmen. Griechen lassen sich keine Zeit beim Essen. Vielmehr gilt es, das Essen in Rekordzeit herunterzuschlingen. Wahrscheinlich war das in der griechischen Antike eine olympische Disziplin.
Unfähig, etwas anderes zu tun, verfolge ich mit einem Ohr die Unterhaltung zwischen meinem Vater, George und Soulla über Schwangerschaften. Ein Paradebeispiel zweier weltfremder Paschas, die sich auch einmal gegenüber solchen modernen Themen aufgeschlossen zeigen? Wohl kaum. »Diese Mal wird eine Junge«, sagt mein Vater. Das ist kein Wunsch, sondern ein Befehl.
»Ja, ist sehr wichtig su haben eine Sohn«, pflichtet George ihm bei. »Sohn trägt Name von die Familie. Normal die Erste geboren muss sein eine Junge.« Er blickt zu Georgina am Kindertisch, die sich über und über mit Essen bekleckert hat. »Georgina war für Übung, nicht? Aber die nächste Kind wird eine Sohn.«
»Mir ist das völlig egal, solange es gesund ist«, erwidert Soulla mit zusammengebissenen Zähnen. Normalerweise ist Soulla immer die Freundlichkeit in Person, sodass ich irritiert bin, sie einmal wütend zu erleben. Muss wohl an der Hormonumstellung liegen sowie an dem Umstand, dass Soulla aussieht, als hätte sie Maroullas achtzig Pfund schweren Truthahn unter ihrem Kleid versteckt. Wer hat sich nur Schwangerschaften ausgedacht? Eine Schnapsidee.
»Natürlich, gesund«, sagt mein Vater. »Eine gesunde Junge.«
Ich registriere, dass sich jemand neben mich setzt. Ich drehe den Kopf und
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