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Extraleben - Trilogie

Extraleben - Trilogie

Titel: Extraleben - Trilogie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Constantin Gillies
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bei der Firma Vice President of Irgendwas, wie jeder zweite Ami eben. Jeppesen hat sich auf nicht ganz astreine Aktionen spezialisiert. Als wir zum Beispiel aus Russland zurückkamen, hatte es einer der Datacorp-Muftis an Bord furchtbar eilig; er zitierte den Piloten nach hinten, um ihm irgendwelche Sonderanweisungen durchzugeben. Danach gingen Landung und Abfertigung verdächtig schnell über die Bühne.
    »Der Pilot hat bestimmt ATFM-Ausschluss an den Tower gefunkt - das ist das Kürzel für Schwerverletzte an Bord. Alter CIA-Trick, so wird man schneller durchgewunken«, hatte Nick rübergeflüstert. Damals hielt ich das für eine seiner Wahnvorstellungen; heute bin ich mir nicht mehr sicher. Andie hat nur gelacht, als ich sie später mal drauf angesprochen habe. Gelacht, aber nicht widersprochen. Jedenfalls war ich mir - mit mir selbst - schnell einig, dass Andie eine Göttin sein muss. Nick zu solchen Sachen zu befragen macht keinen Sinn, denn der ist sogar verbal seiner Sabina treu. Er fährt voll das retrosexuelle Programm: ausrücken zum Jagen, Frau erlegen und danach keine andere mehr angucken. Jedenfalls ist Andie einfach perfekt: Die schwarzen Korkenzieherlocken, die Augen von Counselor Troi aus der »Next Generation« und die Figur von Kelly LeBrock in »L.I.S.A. Der helle Wahnsinn« - der Film, in dem sich die zwei Nerds am Rechner ihre Traumfrau zusammenbasteln. Yeah, die Szene mit den 3D-Vektorgrafikbrüsten, unvergessen. Ergibt zusammen Andie MacDowell aus der Zeit von »Sex, Lies and Videotape«, noch bevor sie in »Und täglich grüßt das Murmeltier « etwas zu sehr ins Mütterliche abrutschte. Dass Andie dann echt noch Andrea heißt, hat den letzten Zweifel ausgeräumt: Sie kann nur eine Göttin sein. Und die steigen halt nicht vom Olymp runter, auch nicht zu mir, obwohl ich zwei Jahre lang alles versucht habe. Also »alles« im Sinne von einmal fraqen, ob sie mit mir ausgeht, ein »Nein« kassieren und sofort aufgeben. Seitdem bin ich ihr »buddy«, den sie gerne mal anruft, wenn sie sich langweilt. Der nette Depp from Old Germany, dem die ach so isolierte Geschäftsfrau gefahrlos ihr Herz ausschütten kann. Als ob sie keine Freunde hätte. Andie wohnt in Georgetown, einem - wie sie behauptet - furchtbar hippen Stadtteil von Washington D. C. mit reichlich Kneipen um die Ecke. Da waren wir einmal sogar zusammen weg, zufällig nach dem so genannten Boot Camp - das ist ein Kurs, bei dem das Datacorp-Management den Neulingen die wichtigsten Sachen beibringt. Ist schon lange her, aber an dem Abend lag was in der Luft, ganz sicher. Klar: Als Mann denkt man ja latent, eine Liga höher zu kicken, als man in Wirklichkeit kann. Aber nicht in dem Fall, wirklich: Als sie sich zur Verabschiedung rüberbeugte, da war ein Sekundenbruchteil diese Verzögerung, so, als wüsste sie nicht, wohin die Reise gehen soll. Der Abschiedskuss landete dann doch auf der Wange. Trotzdem - da war was. Ihre Kneipenstory ist mittlerweile nahtlos in einen Tätigkeitsbericht der letzten Woche übergegangen.
    » ... and the phone was, like, ringing all the time ...«
    Wie immer, wenn sie ihren Müll fertig abgeladen hat, faselt sie etwas davon, dass man sich doch mal in San José/Kalifornien treffen könne; da liegt die Zentrale von Jeppesen, und wie immer bekunde ich, wie »great« das sei und wie unbedingt man das mal machen müsse. Doch dann weicht sie auf einmal vom Programm ab. Ihre Stimme verlässt die hohe Schnatterfrequenz und klingt ungewohnt ernst. Sie habe das Gefühl, da sei irgendwas Großes am Laufen und ich solle gut aufpassen. Noch bevor ich nachfragen kann, bricht sie das Gespräch ab.
    »Hey, take care. Gotta go.«

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    Nie wieder Vorstadt. Über keine Sache waren wir uns als Teenies in unserer Trabantenhölle so einig. Nie wieder kleine Reihenhäuser mit Flachdächern und Hausnummern, die in total lustigen Farben angemalt sind. Nie wieder verkehrsberuhigte Spielstraßen, Tempo-go-Bodenschwellen, Wohnwege mit abgezirkelten Beeten. Nie wieder Carports mit diesen Beton-Sechsecken auf dem Boden, zwischen denen das Gras wohl kontrolliert durchwachsen kann. Nie wieder Samstagabende, an denen es nichts zu tun gibt, als anderen Gelangweilten dabei zuzusehen, wie sie Wohnweglaternen austreten. Wenn wir groß sind, leben wir in der Stadt, das war völlig klar, und zwar in einer verdammt großen Stadt, in einem Moloch. Wo täglich Hunderte von Morden passieren, der Verkehr alles andere als beruhigt ist, und Straßengangs

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