Extraleben - Trilogie
vor deiner Haustür mit 100 Sachen langbrettern, während sie mit ihren Uzis den Bürgersteig bestreichen. Und selbstverständlich würden wir nicht im Reihenhaus leben, sondern in einem abgefuckten Loft, zu dem ein abgefuckter Industrieaufzug hochfährt. Und auf dem Weg nach oben würde man ein Fotomodell, nun ja, man würde es mit ihr treiben, genau - treiben. Es war damals wie mit den Eskimos und Schnee, nur umgekehrt: Womit man nichts zu tun hatte, dafür kannte man auch keine Worte. Schließlich hatten wir damals nur eine einzige Frau regelmäßig nackt gesehen - und zwar die in der Fernsehreklame für Fa-Duschgel. Wie dem auch sei, die Kleine müsste jedenfalls aussehen wie die Models aus dem Video zu »Addicted to Love« von Robert Palmer, Gott hab ihn selig. Nicht irgendein Mädchen aus der Vorstadt mit Nasenring aus Phosphor. Aber zurück zum Loft. Viele Sachen gäb's da oben nicht, nur einen Hamilton Beach Mixer für die Cocktails und so ein Gestell an der Decke, wo man sich mit den Füßen reinhängen und Bauchübungen machen kann - wie Richard Gere in »American Gigolo«, Möbel und Lampen hätten wir keine, und wenn, dann wären sie noch vom Vormieter übrig und mit Laken abgedeckt, genau wie seine sterblichen Überreste vor der Tür, nachdem ihn eine Gang vor der Tür niedergemäht hat. Die einzige Lichtquelle in unserem Loft wäre ein riesiger Ventilator, durch den von hinten fahles Licht scheint und der quälend langsam die schwüle Luft durchquirlt. Yeah, unser Leben wäre von Ridley Scott inszeniert. Hauptsache, nie wieder Vorstadt. Ich parke mein Auto direkt vor Nicks Haus. Es war gar nicht leicht zu finden, hier draußen, zwanzig Lichtjahre vom nächsten Milchkaffee zum Mitnehmen entfernt. Der Bungalow liegt am Ende einer verkehrsberuhigten Spielstraße, eine knallrote »6« aus Plastik hängt neben der Tür, und der Carport ist nur wenige Schritte entfernt. Gottseidank ist von hier aus der Boden nicht zu erkennen. Wie heißt das nochmal, wenn die Geiseln sich mit den Entführern zusammenrotten? Stockholm-Syndrom? Oder war es Helsinki?
»Hi«, trällert Sabina, als sie mir die Tür öffnet. Sollte die nicht weg sein?
»Ich bin auch gleich weg«, sagt sie. Bitch, kannst wohl Gedanken lesen? Auch erfreut, dich zu sehen.
»Hi«, sage ich und trete mir die Füße an der Matte ab.
»Bed & Breakfast« steht drauf, immerhin - ein Relikt durfte Nick aus seinem altem Medienbunker mitnehmen. Warum konnte ich Sabina nochmal nicht leiden? Achja, genau, seit sie am Start ist, steht Nick unter ihrer Befehlsgewalt - und nicht mehr unter meiner, so war das. Ist natürlich albern, weil ich reichlich Zeit gehabt habe, mich daran zu gewöhnen. Die zwei hocken schließlich schon seit der Mittelstufe aufeinander - bis auf das halbe Jahr, in dem sie laut Nick »eine Pause« gemacht haben. Aber seit Nickybaby einen gut bezahlten Job hat, fährt die kleine Goldgräberin wieder voll auf ihn ab. Alles heile Welt jetzt, Heirat nicht ausgeschlossen. Lustig, dabei wären Sabina und ich fast mal zusammen gewesen, damals in der Mittelstufe. Auf irgendeiner Kirmes wurde hinter der Frittenbude sogar geknutscht, soweit ich weiß. Sie hat das natürlich immer bestritten und sich quasi zum Beweis kurz darauf an Nick rangehängt. Seitdem pflegen wir eine leichte Abneigung, für die wir - das muss man sagen -langsam etwas zu alt werden. Ich schaue ihr nach, wie sie vor mir den Flur entlangläuft. Sabina ist nicht die Größte, vielleicht 1,65,und wie viele Mädels von dem Format hat sie jahrelang gegen Pummeligkeit gekämpft. Seit Kurzem scheint sie das Problem im Griff zu haben und kriegt langsam - auch dass muss man zugeben - eine richtig gute Figur: schlank und trotzdem wie eine echte Frau. Der schwarze Rocksaum rutscht bei jedem Schritt von der rechten zur linken Kniekehle, dazu platschen ihre kleine nackten Füße leise auf den Laminatboden. Ihre Fußnägel glänzen dunkelrot, sie muss sie gerade lackiert haben. Im Flur steht noch der Geruch der Entfernerpads. Sabina dreht sich halb um und pustet eine blonde Haarsträhne aus der Stirn .
»Und, alles klar?«
Wow, ihr schwarzes Top spannt ja ziemlich, so von der Seite gesehen. War das schon immer so?
»Jau, alles klar«, antworte ich brav. Die Einrichtung zieht vorbei. Vom Studentenstil früherer Tage ist nicht mehr viel übrig. Da musste sich der gute Nick aber von vielen seiner Lieblingsteile verabschieden. Mitten im Wohnzimmer steht ein Esstisch mit weißen
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