Extraleben - Trilogie
machten wir auf dicke Hose, fuhren auf der Vespa in die Disko, während aus dem extra ins Handschuhfach eingebauten Radio ,,I wanna give you devotion. dröhnte. Nick hockte zu dieser Zeit vor seinem ersten PC - keine gute Wahl, wie ich damals fand. Zu Beginn des Studiums entdeckte auch er das Highlife, allerdings in der Öko-Variante. Zusammen mit irgendwelchen langhaarigen Informatik-Kommilitonen dampfte er sich ständig die Rübe zu, war zeitweise auf der Autobahn nach Maastricht zuhause und entwickelte sich in meinen Popper-Augen zu einem typischen Aso, den man auf Bowie-Konzerten antrifft. Irgendwann, nach einem dreitägigen Kiffmarathon. hat er von einer Minute auf die nächste damit aufgehört. Warum, hat er mir nie gesagt. Das Erwachsenwerden lief zwischen uns immer wie ein Rennen ab. Mal lag der eine vorne, mal holte der andere auf. Zum ersten Mal verliebt war Nick. Andrea hieß sie, wohnte zwei Häuser weiter bei ihren Eltern und studierte Jura. Sie war Studentin ! Diese Tatsache allein reichte, um das Hirn eines Oberprimaners zur Explosion zu bringen. Studentin, Sophie Marceau, noch Fragen? Wie das nun mal ist, erwischte es Nick eine Woche, bevor die kleine Brünette wegzog. Jahrelang hatte sie ihn ignoriert, und ausgerechnet an diesem Tag sprach sie ihn auf dem Wohnweg an; man könnte fast sagen, sie plauderten miteinander, sofern das möglich ist, wenn der Puls eines der Gesprächspartner ungefähr so rast wie bei einem Tornado-Piloten im Tiefflug. Das war zu viel für den guten Nick. Nachdem sie dann weggezogen war, fuhr er mit dem Bus in die Stadt, um dort im Hauptpostamt nach ihrer neuen Adresse zu fahnden. Seinerzeit lagen dort ja alle Telefonbücher der großen Städte aus, und da es noch kein Netz gab und keine reverse Auskunft, war das der einzige Weg, einen Unbekannten in der BRD aufzuspüren. In Berlin-Charlottenburg wurde er fündig, und da sind wir dann hingefahren. Acht Stunden hat das damals von uns aus gedauert; acht Stunden in einem bordeauxroten Abteil der Bundesbahn, davon vier Stunden im Kriechgang durch die Zone. Bescheuerte Idee. Das Ganze endete dann erwartungsgemäß mit einer Megapleite: Nachdem wir uns einen ganzen Nachmittag bei Eiseskälte vor Andreas mutmaßlicher Bude rumgedruckst haben, ging ein Typ in ihre Wohnung, den wir auf ungefähr 40 taxierten - wahrscheinlich war er 25, aber in dem Alter kann man Erwachsene ja noch nicht so gut einschätzen. Da das nur der Freund sein konnte, beschloss ich, die Observierung an diesem Punkt abzubrechen. Nick lenkte recht schnell ein; seine Gefühle waren durch die ganze Warterei wohl, haha, etwas abgekühlt. In dem Alter sieht man solche Sachen gottlob noch nicht so ernst. Jedenfalls endete so der erste in einer Reihe von vielen schwachsinnigen Kreuzzügen.
LEVEL 05
»Für die Jahreszeit zu kalt.«
Seit Tagen beendet der Wettermann im Radio seine Vorhersage mit diesem bescheuerten Satz. Ja, wir haben Juni, ja, es gießt wie aus Kannen und das Autothermometer zeigt 15 Grad an. Aber streng genommen ist es nicht kälter als immer um diese Jahreszeit im Rheinland; Mitte Juni wird das Wetter zwischen Düsseldorf und Koblenz fies, da kann man die Uhr nach stellen, diese zwei Wochen Dauerregen kommen so sicher wie der Karneval. Trotzdem tun die Wettertypen immer so, als wenn niemand damit hätte rechnen können. Wir sitzen im Wagen Richtung Flughafen, und der Scheibenwischer läuft auf Hochtouren. Da Nick das Wetter grundsätzlich ignoriert, starte ich ein Gespräch über die deutsche Autobahn an und für sich. Dass das überhaupt ein Thema sein kann, fällt einem erst im Ausland auf, denn die ganze Welt liebt ja die Autobahn. Wo immer man auch landet, es ist überall das gleiche Spiel: Sobald rauskommt. dass man Deutscher ist, biegt das Gespräch unweigerlich auf die German Autobahn ein. Wie super das sein muss, so schnell fahren zu können, wie man will, mit dem Porsche, Mercedes oder BMW, zwischen all den Burgen und Schlössern und so weiter. Um die Dinge so romantisch verklären zu können, muss man wohl mindestens 2000 Kilometer vom Frankfurter Westkreuz entfernt wohnen.
»Das einzige halbwegs Romantische an der Autobahn ist der Rasthof Fernthal an der A3, und auch nur wegen des Namens. Der klingt nach Ferne, zumindest, wenn man sich das >h< wegdenkt«, sagt Nick. Ansonsten sei die Autobahn ja wohl der Inbegriff von deutscher Enge. Die gesamte Spießigkeit des Landes auf vier Spuren Asphalt konzentriert, kontrolliert von den
Weitere Kostenlose Bücher