Extraleben - Trilogie
sich hin und überfliegt währenddessen die Ausdrucke in seiner Hand: vier Seiten mit kleinen grünen Streifen und ein paar Zahlen aus dem Nadeldrucker, nicht auffälliger als eine Tankquittung. Und diese läppischen vier Seiten sollen die Katastrophe verhindern? John schreckt hoch, als ob ihn jemand aufgeweckt hätte.
»Äh, die Leute vom NRO vermuten, dass es einen Fehler in dem Programm gibt, das die Flugbahn des 11/9 steuert«, fährt John fort, »und da die Software nur noch auf Tape zu bekommen war, wurde die Datacorp -wie sagt man? -approached. Wir sollten die Daten auslesen und den Fehler korrigieren, der dafür sorgt, dass Keyhole die Befehle der Bodenstation ignoriert. Teil eins der Aufgabe haben Sie ja schon mit Bravour erledigt, meine Herren ...«
John ringt sich ein wohlwollendes Lächeln ab. Das ist genau der Motivations-Scheiß, bei dem wir sonst immer das Kotzen kriegen. Da Nick weiter in Chef-Huldigungs starre verharrt, schieße ich quer.
»Wo kam das Tape her?«
Major Tom wirft mir einen feindseligen Blick zu.
»Sagen wir so, die amerikanische Intelligence Community ist schon seit vielen Jahren an einigen Stellen der Bundesrepublik präsent, auch mit Bodenstationen.«
Aha, er hat das Tape also in einer Horchstation an der ehemaligen Zonengrenze aufgetan und wollte es dann rüber zu uns nach Ehemalistan schaffen. Dabei müssen ihn die bösen Jungs von der Datacorp erwischt haben. Wahrscheinlich sollte ihm der Pilot die Kassette abnehmen, es kam zum Kampf -und Crash. John stellt sein leeres Bier auf den Boden und klopft sich mit einer Hand auf den Oberschenkel. das Signal zum Aufbruch.
»Alright. Denken Sie, Sie können den Fehler hier drin finden und zwar bis morgen um zehn?«
Er winkt mit den Ausdrucken.
»Dann haben wir nämlich ein Meeting mit den Herren vom National Reconnaissance Office.«
Nick reckt stolz den Hals hoch.
»Nicht nötig - wir haben das NRO schon angerufen!«
John schießt von seinem Stuhl hoch.
»You did what?«
Sein Schreien gellt durch die vertäfelte Hölle. Stille. Im Zimmer nebenan brummelt der Applaus einer Sportübertragung vor sich hin. Wir haben Scheiße gebaut, aber warum? Jetzt bloß nicht John ansehen, immer schön an seinen Augen vorbeigucken, am besten auf die Stirn. Oh shit, beim Hochspringen muss die Wunde unter dem Pflaster aufgeplatzt sein: Ein kleiner roter Punkt sprießt in der Mitte aus dem weißen Zellstoff.
»... sie sagten, sie kämen uns abholen«, flüstert Nick.
»Sie haben dem NRO gesagt, wo wir sind?«
Johns Stimme überschlägt sich hysterisch. Seine Hand mit den zusammengerollten Ausdrucken zittert unkontrolliert. Nick versucht, die Wogen zu glätten.
»Ja, wir dachten ... «
Doch John hört gar nicht mehr hin. Er humpelt zur Tür rüber und reißt sie mit einem lauten Krachen auf. Er weist mit dem Kinn nach draußen. Doch Nick zögert. So leicht will er sich das Treffen mit den Geheimtypen vom NRO nicht verhageln lassen.
»Ja, aber ...«
In diesem Moment rastet John endgültig aus. Er holt tief Luft und schreit dem Beifahrer so laut er kann ins Gesicht.
»If you don't fucking move you'll never see your wife again! «
Ein kleiner Faden Blut hat den Verband auf seiner Stirn verlassen und zieht sich das Nasenbein runter.
#43 T-2: 04:36
Silke Bischoff, so hieß doch das Mädchen, das damals bei der Geiselnahme in Gladbeck gestorben ist. Sie war blond und schön, und am Schluss hat sie einer der Drecksäcke erschossen, beim Shootout mit dem Sondereinsatzkommando auf der Autobahn. Das Foto hat sich irgendwie eingebrannt: der 500erMercedes damals gab's die lächerliche Einteilung in A-bis-Z-Klasse bei Benz ja noch nicht. Also der 500er des SEK stand mitten auf der Autobahn, mit aufgerissenen Türen. Daneben lag ein Körper auf der Fahrbahn, mit einem weißen Tuch abgedeckt. Der Körper des Mädchens. Das männliche Gedächtnis ist ein chauvinistisches Arschloch. Wäre sie nicht achtzehn und blond gewesen, hätte ihr das Erinnerungszentrum keine einzige Hirnzelle spendiert. Seit dreißig Sekunden sind wir nun Opfer einer Geiselnahme, Erpressung oder was auch immer das hier ist. Der Mann, den wir immer für unseren Verbündeten hielten, steht in Wirklichkeit auf der anderen Seite. Unfassbar. John atmet schwer aus, als er sich in den Fahrersitz fallen lässt. Vielleicht sind es nur die Schmerzmittel, die ihn so seltsam machen, und wir haben in Wirklichkeit alles nur falsch verstanden. Hat er Nick wirklich gedroht? Mit fahrigen
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