Extraleben - Trilogie
doch liegen bleibt, muss alles selbst zahlen, Abschleppen, Wagenreparatur und so weiter. Und auf der letzten Tour haben uns die Vermietgangster schon 250 Dollar abgeknöpft, nur weil ein kleiner Riss in der Frontscheibe war. Die Angst fährt also mal wieder mit. Gottlob ist die Sache schnell ausgestanden. Nach nicht einmal fünf Minuten haben wir unser Ziel erreicht - ein Schild im Nirgendwo, das davor warnt, weiterzufahren oder herumzustreunen, wie so oft. Man kann nicht einmal ein vernünftiges Foto machen, weil zwei riesige Agaven den Blick versperren; mit viel Fantasie meine ich in der Ferne ein paar verrostete Müllcontainer zu erkennen, aber vielleicht auch nur deshalb, weil Nick mir den Haufen vorher auf dem Sat-Foto gezeigt hat.
»Das war's wohl«, fasst Nick das Offensichtliche zusammen. Was immer hinter dem Zaun liegt - wir werden es nie erfahren. Schlummern unter der Erde wirklich Berge von feinster Vintage-Ware, perfekt konserviert vom trockenen Wüstenklima? Oder haben die Bulldozer schon vor einem Vierteljahrhundert alle Platinen zu Splittern zermalmt? Was soll's, die Schildhörigkeit verbietet jede weitere Aktion. Also bleibt uns nur, ein paar Erinnerungsfotos von den zwei Agaven zu knipsen, dann geht die Fahrt ziemlich still weiter. Eine von Nicks wirklich coolen Eigenschaften ist, dass er sich von solchen Sachen nicht unterkriegen lässt. Schon nach fünf Meilen fängt er an, seine Vertuschungstheorien von vorne zu spinnen, wie eine Platte mit Sprung.
»Ich wette, diese Müllcontainer waren bis oben hin voll mit Cartridges«, sagt er. Das sei ja mal wieder eine »geile Aktion« gewesen. Und überhaupt: Dass ausgerechnet in der Nähe von Roswell ganze Lkw-Ladungen des Spiels E. T. vergraben seien, könne ja auch kein Zufall sein, da sei er sich jetzt sicherer denn je. Ausnahmsweise fehlt mir heute die Energie, um ihn auf den geistigen Spielplatz zu begleiten. Oder vielleicht sieht er das gar nicht so, und er glaubt echt an diese Spinnereien? Ich schaue zur Seite: Nick grinst und hält sich Dr.-Evil-mäßig den Zeigerfinger in den Mundwinkel: »Vielleicht haben die ja gleich noch einen Polybius -Automaten hinterhergeschmissen und verscharrt? «
Ich verstehe kein Wort.
»Diese Dinger aus der DDR? «
Nick rollt mit den Augen.
»Nein, die hießen Polyplay . Kennst du die Geschichte nicht? Also: 1981 soll in einer Bar namens Blue Diamond in Portland/Oregon ein geheimnisvolles Videospiel aufgetaucht sein. «
Unglaublich, wie kann er sich all diese Einzelheiten immer merken?
»Schon wenige Stunden, nachdem das Gerät aufgestellt worden war, ereigneten sich angeblich seltsame Dinge: Kids, die an dem Automaten mit dem Namen Polybius gespielt hatten, verloren ihr Gedächtnis, wussten nicht mehr, wie sie heißen und so weiter. Nachts sollen sie Albträume gehabt haben. Nach ein paar Wochen tauchten dann Männer in schwarzen Anzügen ...«
Ich versuche, Nick abzuwürgen.
»Oh bitte, nicht der Men-in- Black-Quatsch ...«
Doch meine Ungläubigkeit feuert ihn erst richtig an. Nick lehnt sich halb über die Mittelkonsole rüber, damit ich auch ja jedes Wort gut verstehe: »Spielt doch keine Rolle, ob die Anzüge schwarz waren. Die Herren sind da jedenfalls rein und haben aus dem Automaten irgendein Modul ausgebaut - ohne auch nur eine einzige Münze rauszunehmen! Stell dir das mal vor! Warum haben sie die Kiste denn aufgestellt, wenn ihnen das eingeworfene Geld egal war? Einen Monat später jedenfalls verschwand der Polybius -Automat dann wieder so plötzlich, wie er aufgetaucht war. «
Das war's. Jetzt ist das Maß voll.
»Ich fahr dann mal die nächste raus, damit wir uns bei Wal-Mart ein bisschen Alufolie kaufen können ...«, sage ich. Mein Beifahrer zuckt auf seine Seite zurück und verstummt auf der Stelle. Wenn er eine Sache nicht leiden kann, dann, dass ihn jemand nicht ernst nimmt. Dabei mache ich doch nur Spaß: Tinfoil-Hats nennen die Amis all jene Verschwörungstheoretiker und Irren, die glauben, dass Vater Staat sie mit irgendwelcher Geheimtechnik manipulieren will, und die als Schutz gegen die Gedankenkontroll-Strahlen angeblich einen Hut aus Alufolie aufsetzen. Soviel Selbstironie müsste eigentlich drin sein, finde ich. Doch Nick steckt seine Nase nur schmollend in die Straßenkarte. Dabei könnte man über diese Polybius -Sache noch einiges reden. In meinen Ohren klingt die nämlich verdächtig nach einem Aufguss der Story, die früher über das Arcadespiel Tempest zirkulierte: Anders
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