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Extraleben - Trilogie

Extraleben - Trilogie

Titel: Extraleben - Trilogie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Constantin Gillies
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noch so angeekelt hatte, kommentieren wir jetzt mit einem augenzwinkernden »L.A. halt« und freuen uns drüber. Der erste Wagen mit personalisiertem Kennzeichen überholt. Ein Mercedes-Cabrio mit BNZBNNYauf dem Nummernschild, was wohl die Abkürzung für »Benz-Bunny« sein soll.
    »Bei uns müsste davor KLA stehen, für Kreis Los Angeles. Genau deshalb funktioniert das mit den Nummernschildern in Deutschland nicht; es fehlt einfach das Flair«, stelle ich fest. Nick senkt den Kopf nach vorne, wobei nicht ganz klar ist, ob er mir zustimmt oder einfach nur zur Musik mitwippt. Wenig später folgt der erste tuntige Motorradpolizist von der California Highway Patrol - Namensgeber der supercheesigen Achtziger-Serie C.H.I.P.S. -, und auf dem Mittelstreifen machen sich die Hibisken breit. L.A. kündet sich wie immer durch eine braune Dunstglocke an, die wie eine dreckige Scheibe über der Stadt liegt. Spätestens im PornValley, Zentrum der nordamerikanischen Erwachsenenunterhaltung, taucht man in die Brühe ein und merkt nichts mehr davon, genau wie bei einer Sonnenbrille. die nur leicht getönt ist und einem nach einiger Zeit wie Fensterglas vorkommt. Wir passieren das Hauptquartier von Vivid Video und röcheln ein paar Mal wie Beavis und Butthead. Mehr und mehr habe ich das Gefühl, nach einem langen Nachtflug aufzuwachen und das erste Tageslicht zu sehen. Worum noch vor Minuten die Gedanken rastlos kreisten, erscheint auf einmal schal, ja kindisch: Farmhäuser mit Mikrowellen-Selbstschussanlagen, Schattenmänner in grauen Ford-Limousinen, eine alles überwachende Geheimorganisation - was zum Teufel ging nur in uns vor? Vielleicht kriegen wir jetzt echt so eineQuarterlife-Crisis, von denen Menschen in unserem Alter ja angeblich heimgesucht werden. Wenn das stimmt, sollten wir unser Verlangen nach Abenteuer künftig altersgerecht ausleben - so, wie es die Männermagazine immer vorschlagen: »Sex mit Models«, »Das härteste Autorennen der Welt«, »Survival auf Legionärsart«.
    Es hat lange gedauert, aber ich denke, die Straße hat uns doch noch weise gemacht. Die restlichen Meilen sind reine Durchführung. Runter auf den 101, dann durch Beverly Hills, Bel Air und Pacific Palisades bis zum Meer, so sieht die Route aus. The same procedure as every year. Schön zu sehen, dass sich nichts geändert hat: Auf dem Fußballplatz der Uni von Los Angeles drehen sich die Rasensprenger im Sonnenschein; die Hollywood-Anwälte kauern in ihren geschlossenen Porsche-Cabrios und kriechen auf dem Santa Monica Boulevard von Ampel zu Ampel. Dazwischen führen Bel-Air-Queens um die siebzig mit Sonnenhut ihre alten 500 SL aus - das Modell, bei dem nachträglich Doppelscheinwerfer eingebaut werden mussten, weil die deutschen Lichter nicht der US-Vorschrift entsprachen. Selige vorglobale Zeiten. Richard Gere fuhr so einen in »American Gigolo«, glaube ich. Nur noch ein paar Apartmentblocks, schließlich ist der Blick auf den Pazifik frei: Graublau und träge liegt das Meer an diesem späten Nachmittag da, nur am Strand kräuseln sich ein paar kleine Wellen. Wir rollen die sechsspurige Küstenstrasse so langsam runter, wie es die genervten Feierabendpendler hinter uns erlauben, und atmen tief dieSalzluft ein. Auf der Standspur zwängen sich die ersten Büromenschen in ihre Neoprenanzüge. Bis vor ein paar Minuten hockten sie noch in irgendeiner Firmenzentrale, jetzt stürmen sie wie kleine Jungs mit ihren langen Surfbrettern auf den Strand zu. L.A., du hast es besser. Der Pacific Coast Highway, von Angebern jeder Art auch PCH abgekürzt, muss das Vorbild für Out Run gewesen sein, jedenfalls sieht der von Palmen gesäumte Highway ziemlich genau wie die Straße aus dem berühmten Fahrspiel von '86 aus. Fehlt nur noch Passing Breeze im Radio, eine Synthieorgie im Matt-Bianco- Stil, die man - anders als die anderen wählbaren Songs - auch länger als eine Runde ertragen konnte. Das Game war damals eine kleine Revolution in den Spielhallen: Nach all den Kästen, vor denen man stehen musste, war es natürlich ein Erlebnis, sich das erste Mal in ein Spiel reinsetzen zu können; dafür warfen wir gerne horrende zwei Mark pro Runde in den Einwurfschlitz und unsere Prinzipien über Bord. Heute würden wir aus Understatement-Erwägungen eher den BMW 325 aus dem Fuhrpark wählen, aber das Wort dezent existiert nun mal nicht im Wortschatz eines Jungen in der Pubertät, und erst recht nicht, wenn dieser Junge in den Achtzigern lebt, also in einem

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