Extraleben - Trilogie
Betreiber brav ihre Gewerbesteuer zahlen. Es ist ein raues Etablissement, das anders als viele Arcaden in den letzten Jahren nicht im Namen der Familientauglichkeit disneysiert wurde. Hier stehen die Videospielautomaten schmucklos in dichten Reihen auf abwaschbarem Kachelboden: Galaga, Zaxxon, Tekken, eine ganze Batterie Neo-Geo-Konsolen wie Metal Slug und all die anderen Klassiker. Auf eine Wanddekoration hat der Geschäftsführer verzichtet; sie wäre im schummerigen Licht der wenigen Neonröhren ohnehin kaum zu erkennen. Als wir letztes Jahr da waren, konnten wir außer zwanzig Rechnern, die für Netzwerkgames wie Counterstrike aufgesetzt waren, kein Zugeständnis an die neue Zeit entdecken. Alles an der Pak-Mann-Arcade war schön böse: Der Geldwechsler saß in einem vergitterten Häuschen, nahm keine Scheine über fünf Dollar an, und vor den Automaten hingen schwere Eisenstangen, damit niemand die Geldkassetten aufbrechen konnte. Der Himmel auf Erden - und das seit 1982. Jetzt scheint die Geschichte dieses letzte Fleckchen alter Welt doch noch eingeholt zu haben. Nach einer guten Stunde Fahrt über proppenvolle Freeways stehen wir vor der Hausnummer 1775 der East Colorado Avenue. Aber dort, wo jahrzehntelang ein selbst gemaltes Schild den Eingang zur Spielhalle wies, hängt jetzt ein riesiges Banner mit der Aufschrift European Furniture Warehouse. In den Räumen der Pak-Mann-Arcade residiert also ein Möbelgeschäft, und als ob das alles nicht schon trübe genug wäre, verkündet ein handgeschriebenes Schild an der Tür: Out ofBusiness. Der Laden, der die gute alte Spielhalle verdrängt hat, musste also auch schon wieder dichtmachen. Ein schwacher Trost. Jedenfalls ist alles, was an die Pak-Mann-Arcade erinnern könnte, verschwunden: Die schmale Eingangstür, die Eltern immer wie die Pforte zur Hölle vorgekommen sein muss. Dieses dunkle Loch, an dessen Ende man nur ein paar Bildschirme flimmern sehen konnte und aus dem ohne Pause die Kakophonie der 8-Bit-Soundchips herausdröhnte, die im Attract Mode durcheinander plärrten. Und dieser Geruch! Wie ein abgewetztes Markstück, aufgelesen vom Boden einer Herrentoilette. Herrlich. Nun ist es alles Geschichte. Lebe wohl, Pak -Mann, wir haben dich kaum gekannt. Wir würden gerne glauben, dass die sauberen Stadtväter von Pasadena die letzte Brücke in die Vergangenheit eingerissen haben, doch wahrscheinlich war für Pak-Mann einfach nur seine Zeit gekommen. Und vielleicht haben auch wir, wie der berühmte gelbe Hockeypuck, lange genug Geister verfolgt. Nach diesem Schock brauchen wir jedenfalls - wie nach allen wichtigen Ereignissen in unserem Leben - erst mal einen Kaffee. Wir sitzen vor einem Starbucks, der direkt gegenüber der alten Arcade aufgemacht hat, und brüten still vor uns hin. Ich versuche mich an einem Nachruf: »Wann war das goldene Videospiel-Zeitalter eigentlich vorbei?«
Nick nuckelt abwesend an seinem Frappuccino. Seine Lust, mit mir auf den intellektuellen Spielplatz zu gehen, hält sich mal wieder in Grenzen.
»Weiß nich, als die ersten 16-Bit-Spiele kamen?«, murmelt er nur knapp. Sein leerer Blick verfolgt einige Autos, bevor er merkt, dass die Antwort wohl doch etwas lahm war. Er rutscht auf seinem Stuhl herum, als sei ihm das, was er jetzt sagen würde, unangenehm.
»Ohne jetzt öko rüberkommen zu wollen, aber für mich war dieses Aso-Prügelspiel Double Dragon ein echter Wendepunkt.«
»Warum? «
Nick bläst mit seinem Strohhalm in die braune Brühe.
»Dass du Frauen mit einer Eisenkette vermöbeln konntest und die auch noch geschrien haben - das war einfach ein krasser Bruch zum süßen Wacka-wacka-Pac-Man-Gedöns.«
»Aber andere Games galten doch vorher schon als hart, Berzerk zum Beispiel. Apropos: Manche meinen ja, die Goldene Ära sei am 3-April 1982 zu Ende gewesen, als Peter Burkowski starb.«
Mein Begleiter schaut mich fragend an, anscheinend kennt er diese Story noch nicht, was mich dazu anstachelt, wirklich alle Details einzubauen, an die ich mich erinnern kann.
»Der Typ war in Illinois in eine Spielhalle reinmarschiert, hatte eine Viertelstunde lang Berzerk gezockt, zwei Highscores gebrochen und war dann auf der Stelle tot umgefallen. Herzkaspar, einfach so, mit gerade mal 18. Viele meinten damals, an diesem Tag hätten Telespiele ihre Unschuld verloren.«
Jetzt scheint Nick die Info auch in seinem Speicher gefunden zu haben, denn er fährt mir energisch in die Parade.
»Augenblick, Augenblick, der hatte doch eh
Weitere Kostenlose Bücher