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Extrem: Die Macht des Willens (German Edition)

Extrem: Die Macht des Willens (German Edition)

Titel: Extrem: Die Macht des Willens (German Edition)
Autoren: Norman Bücher
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insgesamt 4.000 Kilometer an 64 Tagen vom Norden Schottlands bis nach Gibraltar. Dabei passiert man Schottland, England, Frankreich und Spanien. Das bedeutet jeden Tag eine Distanz von durchschnittlich 62 Kilometern zurückzulegen. Nur fünfzig Läufer dürfen an diesem einzigartigen Rennen teilnehmen. Dies wird die dritte und vorerst letzte Ausgabe einer europäischen Kontinentaldurchquerung sein. Erstmals fand dieser Lauf im Jahr 2003 statt. Die Route führte damals von Lissabon nach Moskau. Im Jahr 2009, bei der zweiten Durchführung, führte der Weg dann von Bari in Italien an das Nordkap in Norwegen. Nur 66 Läuferinnen und Läufer haben bisher weltweit den europäischen Kontinent auf diese Weise durchquert. Mit diesem Abenteuer beschäftigte ich mich sehr lange. Ich konnte mir zunächst diese Dimensionen nur schwer vorstellen. An 64 Tagen, ohne einen einzigen Ruhetag, jeweils einen Ultramarathon zu laufen. Absoluter Wahnsinn! Aus sportlicher Sicht fand ich diesen Lauf einfach unglaublich und ungemein reizvoll. Es ist ein sehr anspruchsvolles und faszinierendes Ziel, ohne Frage. Das Feuer der Begeisterung brannte in mir, sobald ich an diesen Lauf dachte. Das war Ende 2009, als ich mich als einer der letzten Teilnehmer anmeldete. Einen Tag später waren die fünfzig Startplätze bereits vergeben. Und das über 2½ Jahre im Voraus.
    Nach der Euphorie bei der Anmeldung fing ich an, auch die andere Seite der Medaille genauer zu betrachten. Kann ich solch körperliche Herausforderungen ohne langfristige gesundheitliche Schäden meistern? Welche Konsequenzen müsste ich tragen, wenn ich diesen Lauf um jeden Preis finishen will? In welcher Weise werden meine anderen Lebensbereiche darunter leiden? Meine Familie? Meine Berufung als Vortragsredner? Andere Laufprojekte? Die entscheidende Frage, die ich mir beantworten musste, lautete: Bin ich bereit den Preis für den Transeuropalauf zu bezahlen? Bin ich bereit, jeden Tag durchschnittlich 62 Kilometer zu laufen, und das über 64 Tage am Stück? Bin ich bereit, in dieser Zeit nur an das Laufen, das Essen und das Schlafen zu denken? Bin ich bereit, mit schmerzhaften Verletzungen wie beispielsweise dem Schienbeinkantensyndrom weiterzulaufen? Bin ich bereit, über zwei Monate jeden Tag auf hartem, grauen Asphalt bei Lärm und Abgasen zu laufen? Bin ich bereit, mich mit geschwollenen Füßen und mit großen Blasen zu quälen und weiterhin täglich einen Ultramarathon zu laufen? Bin ich bereit, über zwei Monate meine Tochter und meine Familie nicht zu sehen? Bin ich bereit, diesen Preis zu bezahlen?
    Wenn ich mich dafür entscheide, dann müsste ich es aus tiefstem Herzen wollen. Dann müsste ich bereit sein, diesen festgelegten und bekannten Preis zu bezahlen. Ich durfte den Transeuropalauf nicht nur probieren wollen, nach dem Motto „Ich fange einmal an und schaue wie weit ich komme“, sondern ich müsste es in letzter Konsequenz wirklich wollen. Auch dieses Abenteuer ist letztendlich eine Frage des Willens. Nach sorgfältigem Abwägen und einigen schlaflosen Nächten fiel dann die Entscheidung gegen diesen Lauf. Der Preis wäre für mich für dieses Ziel zu hoch gewesen. Meine anfängliche Euphorie und meine Träume einer läuferischen Durchquerung des europäischen Kontinents haben den nüchternen, realitätsnahen Fragen nicht standhalten können. Das Warum, meine ursprünglichen Motive für diesen Lauf, platzten dadurch wie eine Seifenblase. Dieses Abwägen zwischen verschiedenen Alternativen und ihren Konsequenzen lässt sich nahtlos auf das gesamte Leben übertragen, denn auch in anderen Lebensbereichen geht es darum, seine Grenzen zu erkennen. Sind Sie beispielsweise bereit, sechzig Stunden und mehr pro Wochen für Ihre Karriere zu arbeiten? Sind Sie bereit, zu Hause alles aufzugeben, um sich in einem fremden Land eine neue Existenz aufzubauen? Sind Sie bereit, Ihr bisheriges Leben zugunsten einer Familie aufzugeben? Sind Sie bereit, den Preis dafür zu bezahlen?
    In meinem Beruf (oder besser meiner Berufung) als Vortragsredner frage ich mich häufig: Wie viele Vorträge möchtest du pro Jahr halten? Mein Motto lautet dabei nicht: immer mehr und mehr Vorträge. Was habe ich davon, wenn ich im Jahr an 250 Tagen für Vorträge und Seminare unterwegs bin und meine Tochter kaum sehe? Oder wenn ich wegen all der Vorträge meiner Lauf- und Abenteuerleidenschaft nicht mehr nachgehen kann? Doch wo genau liegt die Grenze? Bei 50, 100 oder 200 Veranstaltungen im Jahr?
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