Extrem: Die Macht des Willens (German Edition)

diesem Punkt entscheidet es sich: Geht man weiter oder gibt man auf? Sieht man das Hindernis als unüberwindbar an oder betrachtet man es als Herausforderung? Jetzt kommt es nur auf das Durchhaltevermögen an. Viele Menschen schrecken leider schon vor dem ersten Berg, der ersten Hürde, dem ersten Hindernis zurück. Oder sie überwinden die ersten Schwierigkeiten und geben dann mittendrin auf. Oder sie bezwingen fast alle Hindernisse und kapitulieren kurz vor dem Ziel, beim allerletzten Hindernis. Obwohl es nur noch ein paar Meter zum Ziel, ein wenig mehr Anstrengung, gewesen wäre, um den großen Erfolg zu realisieren.
    Bei einem extremen Lauf wie am Mont Blanc treten zwangsläufig Hindernisse auf. Wenn man über vierzig Stunden am Stück unterwegs ist, durch zwei Nächte im Hochgebirge läuft, wird man irgendwann müde. Richtig müde. Es fallen einem während des Laufens die Augen zu. Die Frage in solchen Momenten lautet dann: Wie kann ich diese brenzlige Situation meistern? Verfüge ich über den notwendigen Biss, die Willenskraft und das Durchhaltevermögen? Habe ich die Ausdauer, die Krise zu überstehen? Will ich diese Krise überstehen? Diese Fragen lassen sich 1:1 auf das Berufsleben übertragen. Auch im Job hat man immer wieder schwierige Situationen zu meistern. Nehmen wir dazu als Beispiel die Telefonakquise. Da haben Sie sicherlich nicht bei zehn Anrufen zehn Kunden gewonnen, oder? Sie bekommen Absagen: zu teuer, haben wir schon, brauchen wir nicht, kein Interesse, keine Zeit, können wir uns momentan nicht leisten und so weiter. Die entscheidende Frage ist auch hier: Wie viele Neins können Sie ertragen? Wie ausdauernd sind Sie? Wie lange ist Ihr Atem?
    Die Kunst ist es, in einer schwierigen Situation, nach einem Rückschlag, trotzdem weiterzumachen. Ob beim Extremsport oder im normalen Leben. Doch wie schafft man das? Wie schafft man es, nach zehn erfolglosen Telefonaten wieder zum Hörer zu greifen und weiterzumachen? Wie schafft man es, nach drei erfolglosen Marathonläufen sich fürs Weitermachen zu motivieren? Die Antwort, die ich gefunden habe, lautet: indem man sich einfach bewusst macht, dass man Zeit braucht. Ausdauer und Durchhaltevermögen haben sehr viel mit Zeit zu tun. Ich kann nicht heute mit dem Laufen beginnen und dann übermorgen den Ultra-Trail Mont Blanc erfolgreich beenden. Das geht nicht. Oder stellen Sie sich einen jungen Mann vor, der gerade seine Ausbildung zum Bankkaufmann begonnen hat. Der wird sicherlich nicht in einem Jahr Filialleiter werden. Vor Kurzem habe ich gelesen, dass Dieter Bohlen zu Beginn seiner Karriere fast zehn Jahre bei Plattenfirmen nur Klinken geputzt hat, bevor ihm der große Durchbruch gelang.
    Man muss sich einfach von Anfang an bewusst machen, dass es ein langer Weg zum Erfolg ist. Ein langer Weg, der einfach Zeit braucht. Zuerst muss immer die Anstrengung erfolgen und erst danach, mit zeitlicher Verzögerung, erhält man die Belohnung. Und über diese zeitliche Verzögerung muss man sich von Beginn an im Klaren sein. Ich muss zunächst unzählige Stunden in mein Training investieren, um überhaupt um den Mont Blanc laufen zu können und dann auch ins Ziel zu kommen. Klingt eigentlich logisch, oder? Den umgekehrten Weg zu gehen, macht schlichtweg keinen Sinn. Doch genau das wollen anscheinend viele Menschen: erfolgreich sein und dafür nichts zu tun. Doch so funktioniert das nicht.
    Zu diesem Punkt kann man sehr bildhaft das Pareto-Prinzip, besser bekannt als die 80:20-Regel, anwenden. Achtzig Prozent eines Erfolgs kommen erst mit den letzten zwanzig Prozent der Anstrengung. Oder anders ausgedrückt: Man muss zunächst einmal einen Großteil an Zeit und Energie (80%) aufwenden, um überhaupt die ersten Erfolgserlebnisse (20%) zu bekommen. Und das erfordert einen langen Atem.
    Wie lange benötigt man, um auf einem Gebiet, gleichgültig in welchem Lebensbereich, zur Spitze zu gehören? Wie lange braucht man, bis man eine Sache, die man beginnt, sehr gut beherrscht? Was meinen Sie? Um in einer Sache wirklich sehr gut zu sein, um einen Expertenstatus auf einem Gebiet zu erhalten, sind mindestens sieben, realistischerweise eher zehn Jahre notwendig. Zehn Jahre. Oder 120 Monate, oder 3.650 Tage, oder 87.600 Stunden. Doch viele Menschen denken ernsthaft, dass man von heute auf morgen erfolgreich wird, dass man gar nichts dafür tun muss und dass einem alles in die Wiege gelegt wird. Was für ein Trugschluss! Ohne Arbeit, ohne Engagement, ohne Anstrengung und