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Extrem laut und unglaublich nah

Extrem laut und unglaublich nah

Titel: Extrem laut und unglaublich nah Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Safran Foer
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Hand, auf die JA tätowiert war.
Ich sagte: Ich sollte wohl nach Hause gehen.
Er blätterte in seinem Buch zurück und zeigte auf: Geht es dir gut?
Ich nickte.
Ich ging. Ich wollte zum Hudson gehen, ich wollte immer weitergehen. Ich wollte den größten Stein suchen, den ic h fand, und mich ertränken . Aber dann hörte ich, wie er hinter mir in die Hände klatschte .
Ich drehte mich um, und er winkte mich zu sich . Ich wollte vor ihm davonlaufen, und ich wollte zu ihm gehen .
Ich ging zu ihm .
Er fragte mich, ob ich ihm Modell stehen wolle. Er schrie b die Frage auf Deutsch, und erst da wurde mir bewusst, dass e r den ganzen Nachmittag Englisch geschrieben und ich den gan zen Nachmittag Englisch gesprochen hatte. Ja, sagte ich au f Deutsch. Ja. Wir verabredeten uns für den nächsten Tag .
Seine Wohnung glich einem Zoo. Überall waren Tiere . Hunde und Katzen. Ein Dutzend Vogelkäfige. Aquarien . Terrarien mit Schlangen und Eidechsen und Insekten. Mäu se, die in Käfigen saßen, damit die Katzen nicht an sie heran kamen. Wie die Arche Noah. Aber eine Ecke hielt er fre i und sauber .
Den Platz spare er auf, schrieb er .
Wofür ?
Für Skulpturen .
Ich hätte gern gewusst, von was oder wem, fragte aber nicht .
Er nahm mich bei der Hand. Eine halbe Stunde sprache n wir darüber, was er vorhatte. Ich sagte ihm, ich würde alle s tun, was er wolle .
Wir tranken Kaffee .
Er schrieb, dass er in Amerika noch keine Skulptur gemach t habe .
Warum nicht ?
Ich konnte nicht .
Warum nicht ?
Wir sprachen nie über die Vergangenheit .
Aus irgendeinem Grund öffnete er die Ofenklappe .
    Im Nebenzimmer zwitscherten Vögel .
Ich zog mich aus .
Ich setzte mich aufs Sofa .
Er betrachtete mich. Ich hatte mich noch nie vor eine m Mann ausgezogen. Ich fragte mich, ob er das wusste .
Er kam zu mir und drehte mich hin und her, als wäre ich ein e Puppe. Er legte mir meine Hände hinter den Kopf. E r winkelte mein rechtes Bein an. Seine Hände waren rau, ver mutlich lag es an den Skulpturen, die er früher gemacht hat te. Er drückte meinen Kopf ein Stück nach unten. Er dreh te meine Hände um. Seine Aufmerksamkeit füllte das Loc h in meinem Inneren .
Am nächsten Tag kam ich wieder. Und am übernächste n Tag. Ich hörte auf, mir einen Job zu suchen. Alles, was zähl te, war, dass er mich anschaute. Ich war bereit zu sterben , wenn es sein musste .
Es war immer das Gleiche .
Er sagte mir, was er vorhatte .
Ich sagte ihm, ich würde alles tun, was er wolle .
Wir tranken Kaffee .
Wir sprachen nie über die Vergangenheit .
Er öffnete die Ofenklappe .
Im Nebenzimmer zwitscherten die Vögel .
Ich zog mich aus .
Er brachte mich in die richtige Position .
Er arbeitete an der Skulptur .
Manchmal dachte ich an die hundert Briefe, die ich auf de m Fußboden meines Schlafzimmers ausgebreitet hatte. Hätt e unser Haus nicht so lichterloh gebrannt, wenn ich sie einge sammelt hätte ?
Nach jeder Sitzung sah ich mir die Skulptur an. Er ging di e Tiere füttern. Er ließ mich mit der Skulptur allein, obwoh l ich ihn nie gebeten hatte, meine Intimsphäre zu wahren. E r spürte mein Bedürfnis auch so .
Ich begriff erst nach einigen Sitzungen, dass er an einer Skulp tur Annas arbeitete. Er versuchte, das Mädchen von vor sie ben Jahren wiederzuerschaffen. Bei der Arbeit sah er mic h an, aber vor Augen hatte er sie .
Er brauchte immer länger, um mich in die richtige Position z u bringen. Er berührte immer mehr Stellen meines Körpers . Er drehte mich länger hin und her. Er winkelte volle zeh n Minuten immer wieder mein Bein an. Er öffnete und schlos s meine Hände .
Ich hoffe, es ist dir nicht peinlich, schrieb er auf Deutsch i n sein kleines Buch .
Nein, sagte ich auf Deutsch. Nein .
Er winkelte einen meiner Arme an. Er streckte einen mei ner Arme aus. In der nächsten Woche berührte er lang e mein Haar, vielleicht für fünf Minuten, vielleicht für fünfzig . Er schrieb: Ich suche einen Kompromiss, mit dem ich lebe n kann .
Ich hätte gern gewusst, was in dieser Nacht in ihm vorging .
Er berührte meine Brüste, er schob sie sanft auseinander .
Er schrieb: Ich glaube, so wird es gut werden .
Ich wollte wissen, was gut werden würde. Wie konnte es gu t werden ?
Er berührte mich am ganzen Körper. Ich erzähle dir alles , weil ich mich nicht dafür schäme, weil ich dabei etwas gelern t habe. Und ich verlasse mich darauf, dass du mich verstehst . Du bist der einzige Mensch, dem ich vertraue, Oskar .
Seine

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