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Extrem laut und unglaublich nah

Extrem laut und unglaublich nah

Titel: Extrem laut und unglaublich nah Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Safran Foer
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Zehntausende sein! Vielleicht sogar Hun derttausende!« »Und was notieren Sie darauf ?« »Ich notiere den Namen der jeweiligen Person und eine Ein-Wort-Biogra phie!« »Nur ein Wort?« »Jeder wird auf ein Wort eingedampft!« »Und das soll hilfreich sein?« »Das ist absolut hilfreich! Heute Morgen habe ich einen Artikel über lateinamerikanische Wäh rungen gelesen! Er bezog sich auf das Werk eines gewissen Manuel Escobar! Also habe ich bei Escobar nachgeschaut! Und siehe da – er ist in meiner Kartei! Manuel Escobar: Gewerkschafter!« »Aber er ist doch bestimmt auch Ehemann oder Vater oder Beatles-Fan oder Jogger oder was weiß ich.« »Natürlich! Man könnte ein Buch über Manuel Escobar schreiben! Und darin würden auch noch Sachen fehlen! Man könnte zehn Bücher schreiben! Man könnte immer weiter schreiben!«
    Er zog Schubladen auf und holte eine Karte nach der ande ren heraus.
    »Henry Kissinger: Krieg!«
    »Ornette Coleman: Musik!«
    »Che Guevara: Krieg!«
    »Jeff Bezos: Geld!«
    »Philip Guston: Kunst!«
    »Mahatma Gandhi: Krieg!«
    »Er war doch Pazifist«, sagte ich.
    »Ganz genau! Krieg!«
    »Arthur Ashe: Tennis!«
    »Tom Cruise: Geld!«
    »Elie Wiesel: Krieg!«
    »Arnold Schwarzenegger: Krieg!«
    »Martha Stewart: Geld!«
    »Rem Koolhaas: Architektur!«
    »Ariel Sharon: Krieg!«
    »Mick Jagger: Geld!«
    »Yasir Arafat: Krieg!«
    »Susan Sontag: Denken!«
    »Wolfgang Puck: Geld!«
    »Papst Johannes Paul II:Krieg!«
    Ich fragte ihn, ob er eine Karte für Stephen Hawking habe.
    »Aber sicher!«, sagte er und zog eine Schublade auf und hol te eine Karte heraus.
    STEPHEN HAWKING: ASTROPHYSIK
    »Haben Sie auch eine Karte für sich selbst?« Er zog eine andere Schublade auf.
    A.R. BLACK: KRIEG
                               EHEMANN
    »Haben Sie denn auch eine Karte für meinen Dad?« »Thoma s Schell, richtig!« »Richtig.« Er ging zur Schublade für de n
    Buchstaben »S« und zog sie halb auf. Seine Finger durch kämmten die Karten, als wären es die Hände eines Mannes, der wesentlich jünger als einhundertdrei war. »Tut mir Leid! Nichts!« »Könnten Sie zur Vorsicht noch einmal nachschau en?« Seine Finger durchkämmten wieder die Karten. Er schüttelte den Kopf. »Tut mir Leid!« »Und was, wenn eine Karte falsch eingeordnet ist?« »Dann hätten wir ein Problem!« »Könnte das sein?« »Passiert manchmal! Marilyn Monroe war über ein Jahrzehnt in der Kartei verschollen! Ich habe immer wieder unter Norma Jean Baker nachgeschaut und mich dabei für besonders schlau gehalten, aber ich hatte vergessen, dass sie als Norma Jean Mortenson zur Welt gekommen ist!« »Wer ist Norma Jean Mortenson?« »Marilyn Monroe!« »Und wer ist Marilyn Monroe?« »Sex!«
    »Haben Sie eine Karte für Mohammed Atta?« »Atta! Der Name sagt mir was! Moment!« Er zog die Schublade für den Buchstaben »A« auf. Ich sagte zu ihm: »Mohammed ist der häufigste Name auf der Welt.« Er zog eine Karte heraus und sagte: »Bingo!«
    MOHAMMED ATTA: KRIEG
    Ich hockte mich auf den Fußboden. Er wollte wissen, was mit mir los sei. »Nichts. Ich frage mich nur, warum Sie eine Karte für ihn haben, aber keine für meinen Dad.« »Wie meinst du das!« »Das ist nicht fair.« »Was ist nicht fair!« »Mein Dad war gut. Mohammed Atta war böse.« »So!« »Also müsste mein Dad auch in der Kartei sein.« »Warum glaubst du, dass es gut ist, darin zu sein!« »Weil es bedeutet, dass man biographisch bedeutend ist.« »Und warum sollte das gut sein!« »Ich möchte auch bedeutend sein.« »Von zehn bedeutenden Menschen haben neun mit Geld oder Krieg zu tun!«
    Ich bekam trotzdem superschwere Bleifüße. Dad war kein großer Mann, er war kein Winston Churchill, wer immer das sein mochte. Dad war nur jemand, der einen familieneigenen Juwelierladen betrieb. Er war ein stinknormaler Dad. Doch in dem Moment wünschte ich mir von ganzem Herzen, dass er ein großer Mann gewesen wäre. Ich wünschte mir, er wäre be rühmt gewesen, berühmt wie ein Filmstar, denn er hätte es verdient. Ich wünschte, Mr Black hätte über ihn geschrieben und sein Leben riskiert, um der ganzen Welt von Dad zu er zählen. Ich wünschte, er hätte Erinnerungsstücke an Dad in seiner Wohnung stehen.
    Ich dachte scharf nach: Wenn man Dad auf ein Wort ein dampfte, welches wäre es? Juwelier? Atheist? Schreibt man New York Times – Korrekturleser in einem Wort?
    »Suchst du etwas!«, fragte Mr Black.»Dieser Schlüssel hier hat meinem

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