Extrem
Frauenfigur auf einem Cocktail-Rührstab. Ich zeigte sie meiner Mutter, und sie sagte: „Zu groß!“ Ich war aufgewühlt und fing an zu weinen. Dann machte ich eine Figur auf der Spitze eines Zahnstochers. Aber die war immer noch zu groß. Also klaute ich eines Tages ein Mikroskop aus der Schule – quasi aus Rache –, und damit konnte ich den nächsten Schritt gehen. Ich schuf die Figur eines Hundes unter dem Mikroskop … und wissen Sie, was meine Mutter sagte?
„Zu groß“?
Ganz genau (lacht).
Das harte Training in Ihrer Kindheit hat sich aber offensichtlich gelohnt …
Ich habe mich weiterentwickelt – ich werde 54 – und habe noch längst nicht den Höhepunkt meiner künstlerischen Leistungsfähigkeit erreicht. Aber ich habe gelernt: Der Körper ist eine Maschine. Diese Maschine wird vom Herzen beherrscht. Der Puls in meinen Fingern wird vom Herzen gesteuert. Nehmen Sie mal Ihren Zeigefinger und Daumen zusammen und versuchen Sie, beide so nah wie möglich zusammen zu bekommen – ohne dass sie sich berühren.
Das schaffe ich nicht. Meine Finger zittern irgendwann viel zu sehr …
… so wie bei jedem normalen Menschen. Aber bei mir passiert das nicht, weil ich – seit ich fünf war – trainiert habe, dieses Zittern zu unterdrücken. Es ist wie bei einem Athleten. Ich habe meinen Körper trainiert, extrem still und bewegungslos zu sein. Das geht selbst über meine eigene Vorstellungskraft hinaus. Ich muss mich konzentrieren; nicht nur mit meinen Händen, sondern auch mit meinem Gehirn, meiner Seele, meinem kompletten Körper. Es ist beinahe so: Man muss ein Toter werden. Ein Toter, der arbeitet.
Ihre Kunstwerke sind so klein, dass man sie nur mit einem leistungsstarken Mikroskop besichtigen kann.
Einige sind sogar kleiner als eine Blutzelle. Ich habe Skulpturen geschaffen, die nur 10 oder 20 Mikronen groß sind (20 Mikronen haben etwa die Dicke einer Papierfolie, ein Mikron entspricht einem Tausendstel eines Millimeters, Anm. d. A.).
Wie muss ich mir ein Werkzeug vorstellen, mit dem man eine Skulptur aus einem einzigen Sandkorn schnitzen kann?
Meine Werkzeuge sind schärfer als Rasierklingen, ich benutze Diamant-Splitter, die ich an der Spitze einer Akupunkturnadel anbringe. Einige Instrumente sehen aus wie der Stachel einer Biene. Und wenn ich etwas anmalen will, dann benutze ich einen Pinsel, den ich aus dem Haar einer toten Fliege herstelle.
Wie genau arbeiten Sie? Wie kontrollieren Sie Ihren Körper beim Erschaffen dieser extremen Kunst?
Ich muss meinen Körper beherrschen, mein Nervensystem. Ich fühle meinen Puls, höre auf mein Herz – und wenn es zwischen zwei Schlägen pausiert, dann führe ich einen Arbeitsschritt aus. Ich habe eineinhalb Sekunden Zeit und halte währenddessen natürlich die Luft an. Ich habe auch schon mal ein Kunstwerk eingeatmet – und weg war es (lacht).
Gibt es eine perfekte Tageszeit, um Nano-Skulpturen zu erschaffen?
Früher konnte ich nicht vor Mitternacht arbeiten, die Erschütterungen durch den Straßenverkehr waren einfach zu groß. Seit ich umgezogen bin, ist es besser geworden mit den Vibrationen. Ich beginne meistens am späten Nachmittag, aber auch nur dann, wenn ich geistig dazu bereit bin. Ich setze mich hin und versuche, meinen Geist vollkommen zu entspannen. Es ist wie eine Meditation – ohne dass ich meditiere. Ich erschaffe die Skulptur bereits vorher in meinem Kopf, denn während der Arbeit ist kein Raum mehr für Fehler. Meine Arbeit ist ein Beweis dafür, dass die Worte „geht nicht“ nicht existieren.
Ist das die Botschaft Ihrer Kunst?
Ja, meine Skulpturen sind für all die Menschen, die nicht glauben. Denn der menschliche Körper ist zu weit mehr fähig, als wir alle erahnen. Wir glauben, dass es nur bis zu einem bestimmten Punkt geht. Aber eine Sache habe ich gelernt: „Sehen heißt glauben.“ Ich möchte andere Menschen dazu inspirieren, Dinge zu tun, von denen sie immer dachten, dass sie unmöglich wären.
Lachen: Schwerstarbeit und sozialer Kitt
Junge tun es, Alte tun es. Kinder im Alter von eineinhalb bis drei tun es, und zwar bis zu 400 Mal am Tag! Ihre Eltern dagegen tun es durchschnittlich nur 15 Mal. Auch Säuglinge tun es, und zwar im Schlaf. Sportler, aber auch total unsportliche Typen tun es. Sogar manche Tiere tun es. Affen zum Beispiel und auch Ratten. Sie alle lachen. Jeder auf seine ganz spezifische Weise.
Jetzt könnte ich fortfahren: Kennen Sie den? Treffen sich zwei Jäger im Wald. Beide tot.
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